Komplexe Restauration mit Keramikimplantaten: zweiteilig, metallfrei und verschraubt

Dentale Implantate aus Zirkondioxid haben sich als Ergänzung zu Titanimplantaten zu einem ernstzunehmenden Faktor in der allgemeinen Implantologie etabliert. Zum einen trägt hierzu sicher die gestiegene Nachfrage seitens zunehmend gesundheitsbewusster Patienten bei [1]. Zum anderen haben sich aber auch die Erfolgs- und Überlebensraten von modernen Keramikimplantaten den Titanimplantaten deutlich angenähert oder befinden sich bereits auf Augenhöhe [2]. So ist auch die Osseointegration von Keramikimplantaten mit modernen Oberflächen den Titanimplantaten ebenbürtig [3].
Ermöglicht wurde dies durch die Entwicklung neuer Materialien [4], mikrorauer Oberflächen [5] und optimierter Behandlungsprotokolle [6]. Dadurch sind Keramikimplantate auch für einen immer grösser werdenden Kreis an Fachanwendern von Interesse, denn sie bieten auch klinische Vorteile in der täglichen Anwendung in der Praxis.
Die klinischen Vorteile
Eine verbesserte Ästhetik ist eines der Hauptargumente der Befürworter von Keramikimplantaten. Auf Grund des weißen Materials „Keramik“ kann es weder auf Abutment- noch auf Implantatniveau zu einem grauen Durchschimmern kommen, wie es bei Titanimplantaten mit einer Schleimhautdicke unter 2 mm möglich ist [7,8]. Die meisten derzeit verfügbaren Keramikimplantate sind nach wie vor Tissue Level Konzepte: die Implantatschulter wird gemäß Protokoll somit deutlich suprakrestal platziert.
Gerade im Frontzahnbereich ist dies vor allem bei einem dünnen Phänotyp nicht immer einfach umzusetzen. Hier bringen Titanimplantate durch ihre mögliche „Bone Level Insertion“ gerade im Frontzahnbereich manchmal Vorteile in der Gestaltung des Emergenzprofils. Es ist also wie fast alles in der Zahnmedizin eine Frage der richtigen Indikationsstellung und der differenzierten Betrachtungsweise.
Eines der wichtigsten Argumente für Keramikimplantate ist die hervorragende und nahezu durchgängig entzündungsfreie periimplantäre Weichgewebssituation. Leider fehlen noch klinische Langzeitdaten zu diesem Thema, die Hinweise verdichten sich jedoch: Eine Periimplantitis im klassischen Sinne wurde bei Keramikimplantaten so gut wie noch nicht beobachtet [9]. Dies deckt sich mit den klinischen Beobachtungen aus der täglichen Praxis im Umgang mit Keramikimplantaten, wie sie von Anwendern immer wieder berichtet werden.
Gründe hierfür sind nach ersten Erkenntnissen die biologisch vorteilhaften Eigenschaften des Materiales Zirkonoxid: Hierzu gehören eine geringe bakterielle Adhäsion an Keramikoberflächen [10,11] sowie eine signifikant bessere, dem natürlichen Zahn entsprechende periimplantäre Weichgewebsdurchblutung [12]. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang aber auch eine fehlende Biokorrosion mit Freisetzung von TiO2-Partikeln und nachfolgender Gewebsreaktion, wie es in neueren Studien bei Titanimplantaten bereits beschrieben wurde [13,14].
Aber auch iatrogene Faktoren wie Zementitis, Hitzedefekte bei unsachgemäßer Insertion oder ungeeignete Implantatoberflächen können zu Knochenabbau wie bei Titanimplantaten führen. So muss auch zum Thema periimplantärer Knochenabbau eine differierte Betrachtungsweise erfolgen.
Die Mehrzahl der heute angebotenen Keramikimplantate sind nach wie vor einteilige Systeme. Sie verfügen auf Grund der längeren Verfügbarkeit über eine bessere Evidenz und Studienlage als zweiteilige Systeme. Hierdurch finden sie von wissenschaftlicher Seite auch eher Anerkennung.
Abutment und Implantat bestehen bei einteiligen Systemen aus „einem Stück“ (Monoblock), wodurch sie als hermetisch dicht gelten (keine separate Abutment-Verbindung, kein Implantatinterface). Sie haben den Vorteil, dass sie in der Versorgung der gewohnten Tätigkeit des Zahnarztes mit Abformung und Zementierung einem natürlichen Zahn sehr nahekommen. Jedoch kann die restaurative Versorgung auf einteiligen Implantaten nur durch Zementieren der Restauration erfolgen.
Zum einen lässt dies eine in der Implantologie gewünschte Flexibilität und Reversibilität vermissen. Zum anderen bringt es das Risiko einer Zementitis mit sich: wurde die Implantatschulter tiefer als 1,0-1,5 mm subgingival platziert, sind Zementreste nicht mehr vollständig und zuverlässig entfernbar [15].
Ebenso muss eine präzise Implantat-Achse, eine ausreichende Primärstabilität und eine unbelastete Einheilphase gewährleistet werden. Ausgedehnte Augmentationen sind auf Grund des nicht möglichen Primärverschlusses nur im zweizeitigen Vorgehen zu empfehlen.
Dies sind wichtige Gründe, warum heute auch in der modernen Titan-Implantologie zweiteilige Systeme als Goldstandard gelten und einteilige Titanimplantate nur noch in seltenen spezifischen Indikationen zu finden sind. Zweiteilige Systeme decken fast alle Indikationen ab, ermöglichen unbelastete Einheilphasen sowie sichere, augmentative Verfahren nach primärem Wundverschluss, sie sind reversibel und flexibel. Selbstverständlich gelten solche Argumente und Prinzipien gleichermaßen für die Implantologie mit Keramikimplantaten.
Nach wie vor stellt jedoch die Verbindung von hartem, nicht elastischem Zirkondioxid-Abutment mit hartem, nicht elastischem Zirkondioxid-Implantat eine große Herausforderung für die „Zweiteiligkeit“ der Systeme dar. Entsprechend werden von den verschiedenen Herstellern teils sehr unterschiedliche Verbindungskonzepte angeboten, welche sich bezüglich Frakturanfälligkeit und technischen Komplikationen wie Schraubenlockerungen unterschiedlich bewährt haben.
Auch das jüngst durch den wissenschaftlichen Beirat der European Society for Ceramic Implantology (ESCI) verfasste Statement zum Thema zeiteilige Keramikimplantate bestätigt diese Sachlage (Quelle: www.esci-online.com). So heißt es hier unter anderem: „Bruchfestigkeit und mechanische Stabilität von zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten können sich aufgrund unterschiedlicher Herstellungsverfahren, Materialeigenschaften, Implantatgeometrien und prothetischer Verbindungskonzepte unterscheiden.“
Für den einzelnen Anwender ist es daher nicht immer einfach, zu differenzieren und die geeigneten Produkte auszuwählen. Auch wenn eine deutlich verbesserte Studienlage wünschenswert wäre, ist es durchaus sinnvoll, sich über die bereits verfügbare Literatur individuell zu informieren. So liegen für einige zweiteilige Systeme bereits präklinische Daten vor, welche eine langfristige Stabilität bestätigen [16,17]. Der im Folgenden dargestellte Patientenfall soll die vorangestellte Argumentation untermauern und vereinigt alle bisher angeführten Aspekte in der Argumentation für zweiteilige Keramikimplantate.
Ausgangssituation
Der 72-jährige Patient stellte sich im September 2018 mit dem Wunsch einer metallfreien Neuversorgung der Oberkieferfront in unserer Praxis vor. Die allgemeine Anamnese ergab einen Aortenklappenersatz mit Herzschrittmacher nach schwerer, symptomatischer Aortenklappenstenose in 2017. Eine gerinnungshemmende medikamentöse Therapie mit Marcumar wurde bereits vor sechs Monaten abgesetzt.
Der sonstige Allgemeinzustand war gut, eine relevante Medikation bestand nicht und die präoperative Abklärung mit dem behandelnden Internisten ergab keine Kontraindikationen gegen einen zahnärztlichen Eingriff. Die Zähne der Oberkieferfront 13,12,11,21 wurden alio loco bereits im April 2018 entfernt und mit einer Interimsprothese versorgt (Abb. 1). Die Mundhygiene zeigte deutliche Defizite, woraufhin der Patient zunächst drei Monate präoperativ der Dentalhygiene zugeführt und in unser Recallsystem eingebunden wurde (Abb. 2).
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Abb. 1: Ausgangssituation: Interimsprothese.
© Dr. Tartsch -
Abb. 2: Ausgangssituation neun Monate post ex.
© Dr. Tartsch
Vor dem Hintergrund seiner Vorerkrankung wünschte der Patient eine festsitzende Versorgung mit Keramikimplantaten. Demgegenüber stand jedoch ein bereits vor 15 Jahren inseriertes Titanimplantat.
Somit war dem Wunsch nach „Metallfreiheit“ nur durch ein Entfernen dieses Implantates zu entsprechen. Zudem behinderte die Achsneigung dieses Implantates 22 eine idealisierte Positionierung der geplanten Implantate. Da jedoch die Entfernung des Implantates zu einer neuen, nicht präzise vorhersehbaren Defektsituation geführt hätte und das Implantat sehr gut osseointegriert war, wurde gemeinsam mit dem Patienten beschlossen, dieses Implantat zu belassen und lediglich mit einem neuen vollkeramischen Abutment in die Gesamtversorgung einzubeziehen.
Präoperative Planung
Im präoperativen DVT waren an den Extraktionsstellen der Frontzähne noch faciale Defekte und ein reduziertes Knochenlager erkennbar, welche ausgedehnte augmentative Maßnahmen erforderlich machten (Abb. 3). Bei einem einteiligen Implantat wäre hier lediglich ein zweizeitig augmentatives Vorgehen möglich gewesen.
Über ein zweiteiliges System war diese Situation analog einem Titanimplantat in einem einzeitigen simultanen Vorgehen zu lösen. Die optionale Implantatposition 12 war jedoch so stark kompromittiert, dass entschieden wurde, diese Position nicht mit einem Implantat zu besetzen, sondern über eine Implantat getragene Brückenlösung zu umgehen.
Die Auswahl der Implantate erfolgte mittels der 3D-Planungssoftware SMOP (swissmeda AG, Zürich). Nach Vorabformung wurde im Dentallabor ein Wax-up für die Rekonstruktion gefertigt, welches in die implantologische Planungssoftware übertragen wurde (Abb. 4).
Hier erfolgte die definitive Implantatplanung unter Beachtung des verfügbaren Knochenangebotes, der korrekten Achsenneigung für eine reversible palatinale Verschraubung mit geradem Abutment, einer parallelen Ausrichtung der Implantate 13 und 11 für die Brückenlösung sowie die idealisierte Position Implantat 21 neben dem Titanimplantat 22. Das bestehende Titanimplantat 22 wurde zur Vermessung der Achsneigungen mit seinem digitalen „Analog“ überlagert (Abb. 5).
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Abb. 5: Planung der Implantatposition und Guided Surgery Schablone.
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Leider stehen für die vollständig computergeführte Implantatinsertion über SMOP noch nicht alle Aufbereitungsinstrumente zu Verfügung. Jedoch stellt vor allem in komplexen Situationen bereits die geführte Pilotbohrung einen deutlichen Mehrwert dar, weswegen auch in diesem Fall eine Guided Surgery Schablone angefertigt wurde.
Da vollständig metallfrei gearbeitet werden sollte und die geplante laterale Konturaugmentation die besten Ergebnisse nach primärem Wundverschluss bei zweiteiligem Implantat erwarten lässt, wurde in diesem Fall auf das NobelPearl™ Implantatsystem (Nobel Biocare AG) zurückgegriffen. Dieses Implantatsystem vereint diese Eigenschaften und weist durch sein Material ATZ mit einer Biegefestigkeit von 2.000 MPa eine hohe Festigkeit auf.
Es wurden somit 3 NobelPearl™ Implantate mit einem Durchmesser von 4,2 mm und der Länge von 12 mm vorgesehen. Die angegebene Länge entspricht dem enossalen Anteil des Implantates.
Zu beachten ist, dass zum enossalen Anteil noch ein auslaufend geätzter Halsbereich mit 1,6 mm Höhe zur Berücksichtigung der biologischen Breite hinzukommt. Folglich weist ein 12 mm Implantat de facto eine Gesamtlänge von 13,6 mm auf. Bei einer geringen Mukosadicke oder im ästhetischen Frontzahnbereich kann das Implantat jedoch 1 mm tiefer platziert werden, so dass nur noch ein Halsbereich von 0,6mm supracrestal verbleibt und der enossale Anteil nun 13 mm beträgt.
Chirurgischer Eingriff
Unter prophylaktischer Antibiose (SingleShot Dosis Amoxicillin 1.000 mg 1 Std. prä OP) und Lokalanästhesie erfolgte im Januar 2019 die Aufklappung nach Einprobe der SMOP Guided Surgery Schablone (Abb. 6). Die Schnittführung wurde crestal mit lediglich einer distalen Entlastungsinzision in regio 15 angelegt, die ossären Defekte wurden gereinigt und dargestellt (Abb. 7).
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Abb. 6: Einprobe der Guided Surgery Schablone.
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Abb. 7: Aufklappung und Darstellung OP-Situs.
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Für die Pilotbohrung mit dem Pilotbohrer Ø 2,3 wurde die Guided Surgery Schablone eingesetzt. Auf diese Weise kann die digital geplante Implantatposition sicher auf die orale Situation übertragen werden (Abb. 8). Dieser erste Bohrstollen dient weiterhin als Führung für die weitere Aufbereitung des Implantatbettes, welche dann gemäß dem chirurgischen Protokoll Nobel Pearl erfolgt.
Für die unterschiedlichen Längen stehen in der Folge formkongruente Profilbohrer zu Verfügung. So wird für die weitere Aufbereitung zunächst der Profilbohrer small Länge 12 mm / Ø 3,3 mm (Farbkodierung pink), danach der Profilbohrer regular Länge 12 mm / Ø 4,2 mm (Farbkodierung gelb) ausgewählt (Abb. 9). Die untere Schulter des Profilbohrers entspricht hierbei der enossalen Länge des Implantates ohne den Halsbereich (Abb. 10).
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Abb. 9: Aufbereitung des Implantatbetts mit Profilbohrer.
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Abb. 10: Profilbohrer analog Implantatgeometrie.
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Da das NobelPearl™ Implantat nicht selbstschneidend ist, muss als letztes Instrument der Gewindeschneider auf die gesamte Implantatlänge angewendet werden. Der Werkstoff Keramik leitet keine Temperatur ab wie ein Titanimplantat und Überhitzung durch zu große Reibungserwärmung soll vermieden werden.
Daher wurden gemäß dem beschriebenen Protokoll nach der Aufbereitung des Implantatbettes (Abb. 11) drei NobelPearl™ Implantate mit jeweils einer Länge von 12 mm und einem Durchmesser von 4,2 mm circa 0,6 mm supracrestal per Hand und mit einem Torque von max. 25 Ncm primärstabil inseriert (Abb. 12 und 13). Einheilkappen aus PEEK verschließen das Implantatinterface (Abb. 14).
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Abb. 11: Final aufbereitetes Implantatbett.
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Abb. 12: Insertion NobelPearl-Implantat neben bestehendem Titanimplantat.
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Abb. 13: Keramikimplantate in situ.
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Abb. 14: Verschluss mit PEEK-Abdeckschrauben.
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Abb. 15: Laterale Konturaugmentation.
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Abb. 16: Membranabdeckung, basale Fixation mit resorbierbarem Pin.
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Abb. 17: Resorbierbarer Inion Pin in Detailansicht.
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Mit tiefen Matratzennähten und Einzelknopfnähten erfolgte nach Periostschlitzung der spannungsfreie Wundverschluss (Abb. 18). Die Nähte wurden nach 10 Tagen entfernt, die Heilung verlief problemlos ohne Wunddehiszenzen.
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Abb. 18: Primärer Wundverschluss.
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Einheilungsphase und Wiedereröffnung
Während der Einheilphase wurde der Patient mit einer provisorischen Modellgussprothese versorgt. Um Fehlbelastungen während dieser Zeit zu vermeiden, war der frontale Sattel durch Auflagen an den Nachbarzähnen abgestützt (Abb. 19). Die klinische Erfahrung zeigt, dass sich für Keramikimplantate – wie auch für Titanimplantate – eine Einheilzeit von drei Monaten bewährt hat.
Auf Grund der ausgedehnten Augmentation wurde jedoch im vorliegenden Fall mit der Wiedereröffnung vier Monate gewartet. In der Röntgenkontrollaufnahme vor dem Re-entry zeigten sich die Implantate vollständig osseointegriert und stabil (Abb. 20).
Das erkennbare Bone-Remodelling im Halsbereich gehört zum typischen Bild bei dieser Implantatgeometrie und bleibt langfristig stabil. Unter anderem wurde diese Beobachtung bereits für analoge Designs mit maschiniertem Halsbereich bei Titanimplantaten beschrieben [18].
Die Wiedereröffnung erfolgte mit einer nach palatinal geöffneten, buccal gestielten bogenförmigen Inzision über dem jeweiligen Implantat. Nach Deepithelialisierung wird mit Einbringung des Gingivaformers der kleine Lappen nach buccal eingeklappt und sorgt somit für eine zusätzliche, einfache Weichgewebsverdickung (Abb. 21).
Prothetische Phase
Nach reizloser Abheilung der Weichgewebe (Abb. 22 und 23) konnte nach drei Wochen mit der prothetischen Phase begonnen werden. Auch hier zeigt sich wiederum ein Vorteil der zweiteiligen Systeme: die von Titanimplantaten bekannten und bewährten Verfahren können nun auch bei Keramikimplantaten zum Einsatz kommen. So wurde nach Erstabformung im Dentallabor eine provisorische Kunststoffbrücke 13-11 und Einzelkrone 21 gefertigt und eingegliedert (Abb. 24).
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Abb. 23: Reizlose Wundverhältnisse drei Wochen nach Re-entry.
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Abb. 24: Provisorische Brücke und Krone mit idealisiertem Verlauf des Gingivalsaumes.
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Als Basis dienen temporäre PEEK-Abutments. Ermöglicht durch die palatinale Verschraubung (Abb. 25) und den reversiblen Charakter eines zweiteilig verschraubten Systems wurde zur idealisierten Ausformung des Emergenzprofiles die provisorische Restauration schrittweise mit Kunststoff ergänzt (Abb. 26 und 27).
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Abb. 26: Schrittweise Ausformung des Provisoriums zur Ausformung des Emergenzprofils.
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Abb. 27: Provisorische Brücke in situ mit durch Ausformung zunächst leicht anämischer Mukosa.
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Nach sechs Wochen provisorischer Phase (Abb. 28) wurde für die finale Abformung zusätzlich der bestehende Zahn 23 zur Aufnahme der geplanten Krone präpariert. Zudem wurde die alte Krone sowie das Abutment auf dem bestehenden Titanimplantat 22 (Frialit, Dentsply, Durchmesser 5,5 mm) entfernt.
Für dieses System stand nur die Option für Repositionsabformung zur Verfügung. Anders bei dem zweiteiligen Keramikimplantat: Über die „open tray“-Abformpfosten, deren Verblockung mit Palavit G und die offene Abdrucknahme kann eine sehr präzise Abformung erfolgen.
In diesem Fall wurden somit drei Verfahren in einem Abdruck vereint: Abformung konventioneller Zahnstumpf (natürlicher Zahn 23), Repositionsverfahren (Titanimplantat 22) und offene, verblockte Abformung Keramikimplantate 13-11,21 (Abb. 29a und 29b). Die Auswahl der Abutments erfolgte bereits mit der präoperativen Planung: Für die Keramikimplantate wurden gerade Abutments mit einer Gingivahöhe 1 mm vorgesehen.
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Abb. 29a: Für offene Abformung primär verblockte Abformpfosten.
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Abb. 29b: Reponierte Laboranaloge im Abdruck (rot: Titanimplantat, gelb: Keramikimplantate).
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Nur gerade Abutments erlauben später eine reversible, palatinale verschraubte Restauration. Gewinkelte Abutments müssen zementiert werden, der Zugang zum Schraubenkanal ist durch die Restauration verlegt. Für das Titanabutment wurde ebenfalls ein vollkeramisches Abutment gewählt (CeraBase anatomisch, Frialit, Dentsply) (Abb. 30).
Nach der Erstellung des Meistermodelles mit Gingivamaske im CAD/CAM-Verfahren wurden die monolithischen, individuell eingemalten Zirkondioxidrestaurationen aus Zolid FX (Firma Amann Girrbach) mit palatinalem Zugang zum Schraubenkanal gefertigt (Dentallabor Studio für Zahntechnik, Dirk Tartsch) (Abb. 31a-c).
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Abb. 31b: Fertige Arbeit auf Meistermodell.
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Abb. 31c: Fertige Brücke und Kronen mit den jeweiligen Abutments.
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Analog einer Titan-Klebebasis wurde nach der Einprobe die Restauration mit dem NobelPearl™ Abutment mit RelyX Unicem (3M ESPE) verklebt. Um jegliche möglichen internen Spannungen der keramischen Implantat-Abumentverbindung zu vermeiden, geschieht dies in unserer Praxis intraoral im Mund des Patienten (Abb. 32).
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Abb. 32: Intraorale spannungsfreie Verklebung von Restauration und NobelPearl-Abutments.
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Die mit dem Abutment verklebte Restauration kann nun entnommen, Zementüberschüsse sicher entfernt und der Übergang poliert werden (Abb. 33). Für die definitive Eingliederung ist der für die Abutmentschraube vorgegebene Anzugstorque von 25 Ncm einzuhalten.
Die metallfreie Vicarbo-Schraube dieses Implanattypes besteht aus hochfester Karbonfaser (60 % Karbonfaser in PEEK-Matrix) mit abgerundeten Gewindegängen. Laut Herstellerangaben erlaubt diese Schraube theoretische Anzugskräfte von bis zu 85 Ncm – klinisch anzuwenden und ausreichend sind jedoch 25 Ncm Anzugstorque. Möglicherweise auftretende Scherkräfte werden im Sinne eines Federelementes abgefangen und ohne Spannungsspitzen gleichmäßig im Implantatkörper verteilt.
Radiologische Kontrollaufnahme wurde jeweils 34 Monate post OP vor Re-entry (Abb. 34) und während des letzten Follow-ups zwei Jahre post OP angefertigt (Abb. 35). Im Vergleich zeigten sich stabile periimplantäre Knochenverhältnisse. Das Ergebnis ist eine metall- und zementfreie, verschraubte und reversible Restauration auf zweiteiligen Keramikimplantaten (Abb. 36 a-c).
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Abb. 35: Röntgenkontrollaufnahme follow-up zwei Jahre post OP.
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Abb. 36a: Restauration in situ – palatinale Ansicht vor Verschluss des Zugangskanals.
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Abb. 36b: Restauration in situ – buccale Ansicht.
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Abb. 36c: Restauration in situ – en face.
© Dr. Tartsch
Fazit
Haben sich Keramikimplantate durch die rasante Weiterentwicklung in Erfolgsraten, Material und Oberflächengestaltung bereits deutlich den Titanimplantaten angenähert, können nun auch – wie im vorliegenden Fall geschildert – die hinsichtlich Titanimplantaten gewohnten chirurgischen und prothetischen Protokolle gemäß den Hersteller-Guidelines übernommen werden. Dies ist sicherlich ein wichtiges Argument für die zukünftige Akzeptanz von Keramikimplantaten in der Praxis.
Ganz sicher gilt – wie in allen Bereichen der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde auch – bei der Anwendung von Keramikimplantaten: Der Patient sollte ausführlich über die Vor- und Nachteile aller Materialoptionen informiert sowie in die Entscheidung mit einbezogen werden. Ebenso müssen die Herstellerangaben beachtet und die korrekten Indikationen gewählt werden.