Sliwowski Overdenture System „SOS“ für den zahnlosen Unterkiefer

Totalprothesen bei völliger Zahnlosigkeit sind die gängige Möglichkeit, die kauenden und ästhetischen Funktionen der Mundhöhle wiederherzustellen. Deckprothesen, die auf Implantaten abgestützt sind, bieten Zahnärzten eine gute Möglichkeit, die Probleme zu lösen und die Mundgesundheit und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Dieser Artikel untersucht das Konzept und die Langzeitergebnisse der Rehabilitation von Patienten mit vollständiger Zahnlosigkeit im Unterkiefer mittels Deckprothesen auf einem präfabrizierten Stegsystem.
Es ist bekannt, dass Zahnersatz im Unterkiefer deutlich schlechter fixiert ist als im Oberkiefer (anatomische Besonderheiten, minimaler planarer Sitz, Überaktivität der Zungenmuskulatur etc.). Die Instabilität der unteren Totalprothese verursacht Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen, provoziert die Bildung von Druckstellen auf der Schleimhaut der Mundhöhle infolge eines Traumas an den Basen usw. Infolgedessen verschlechtern diese Probleme die Zufriedenheit und den Komfort der Patienten bei der Verwendung von Prothesen und motivieren Spezialisten, neue Lösungen in der Behandlung zu suchen.
Die Deckprothese
Das Konzept einer Deckprothese auf zwei Implantaten als Mindeststandard der Behandlung für den zahnlosen Unterkiefer wurde seit Jahrzehnten vorgeschlagen und durch eine Vielzahl von Beweisen unterstützt, die seine Wirksamkeit belegen [13-15]. Die heute verfügbaren Methoden und Techniken der implantologischen Behandlung, insbesondere die Computertomografiediagnostik und die 3D-Planung, ermöglichen eine weitere Vereinfachung der Methodik und eine Verkürzung der Behandlungsdauer [8]. Die Patienten erwarten eine bessere Qualität der implantologischen Behandlung, kürzere Fristen und niedrigere Kosten.
Verschiedene Befestigungssysteme werden verwendet, um Deckprothesen auf Implantaten zu fixieren, und jedes System hat sowohl Vor- als auch Nachteile [5,9]. Deckprothesen auf einem Stegsystem haben signifikante Vorteile im Vergleich zu anderen Befestigungssystemen [3]. Dieser Artikel untersucht das Konzept und die Langzeitergebnisse der Rehabilitation von Patienten mit vollständiger Zahnlosigkeit im Unterkiefer mittels Deckprothesen auf einem präfabrizierten Stegsystem (Sliwowski Overdenture System „SOS“), befestigt auf zwei Zahnimplantaten im interforaminalen Bereich des Unterkiefers.
Der Zweck der Studie
Analyse der Kurzzeit- und Langzeitergebnisse der Prothetik mit Deckprothesen auf einem Stegsystem (Sliwowski Overdenture System „SOS“), befestigt auf zwei Zahnimplantaten im interforaminalen Bereich des zahnlosen Unterkiefers.
Material und Methoden
Die Studie umfasst 985 Patienten mit Deckprothesen mit Steg (Sliwowski Overdenture System „SOS“), befestigt auf zwei Zahnimplantaten im interforaminalen Bereich des zahnlosen Unterkiefers, die zwischen September 2006 und Juni 2022 behandelt wurden. Das Sliwowski-Overdenture-System (SOS) ist ein innovatives Konzept zur minimalinvasiven Implantatversorgung des zahnlosen Unterkiefers. Eine hochqualitative und gleichzeitig günstige definitive Sofortversorgung für den Unterkiefer mit circa tausend zufriedenen Patienten, die erfolgreich über 15 Jahre funktioniert.
Es gibt inzwischen zwei Varianten vom SOS-System: Die klassische mit dem gefrästen Steg und MK1-Riegel (Abb. 1) und das „SOS-click“ mit Rundsteg (Abb. 2) und zwei Servo-Kunststoffreitern [10-12]. Auch für den chirurgischen Eingriff gibt es zwei Optionen: Der transgingivale Zugang (geschlossene Methode) mit einer individuellen Schablone (Abb. 3) und der offene Zugang zum Operationsfeld mit einer Standard-Navigationsschablone (Abb. 4).
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Abb. 1: SOS-Systemgefräster Steg und MK1-Riegel.
© Zahnimplantat-Klinik Düsseldorf -
Abb. 2: SOS-click Rundsteg mit dem Kunststoffreiter.
© Zahnimplantat-Klinik Düsseldorf
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Abb. 3: Präparation des Implantatbettes mit einer individuellen Schablone.
© Zahnimplantat-Klinik Düsseldorf -
Abb. 4: Der offene Zugang zum Operationsfeld mit einer Standard-Navigationsschablone.
© Zahnimplantat-Klinik Düsseldorf
Jede implantologische Behandlungsoption hat Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen der geschlossenen Methode unter Verwendung einer Navigationsschablone gehören die Genauigkeit der Implantatinsertion, die Verkürzung der Operationszeit und die Verringerung des Traumas. Die Vorteile der offenen Methode unter Verwendung einer Standardschablone sind eine bessere visuelle Kontrolle der Implantation, die Möglichkeit zusätzlicher begleitender Manipulationen und ggf. Osteoplastik und Knochenaufbau um die Implantate.
Erhöhtes Trauma und Verlängerung der Heilungszeit sind die Hauptnachteile dieser Methode. Für das ,,SOS’’-Verfahren sind ein ausreichend dimensionierter Kieferkamm und eine funktionsfähige totale Kunststoffprothese notwendig. Bei einer klinischen Untersuchung sollte festgestellt werden, ob der Kieferkamm regio 33-43 ausreichend hoch und breit für eine Implantation ist.
3D-Planung der Position der Implantate sowie des Stegs
Dazu wird ein Planungsprogramm, z. B. Simplant oder Magellan, verwendet und auf der Grundlage der Planung kann eine chirurgische Bohrschablone erstellt werden (Abb. 5). Für die Magellan-Planung werden, über die Prothese verteilt, 7-8 kleine Glaskügelchen als röntgenopake Marker mit Klebewachs angeklebt. Für die Magellan-Planung der „SOS“-Schablone sind zwei Tomografien (DVT) notwendig. Eine von der Prothese alleine und eine vom Patienten mit der Prothese im Mund.
Während des Eingriffs wird der Unterkiefer fakultativ durch die beidseitige Leitungs- und/oder Infiltrationsänsthesie regio 35-45 anästhesiert. Für die Implantation wird ein Instrumentarium benötigt (Magellan-Tray oder SOS-Instrumentarium) (Abb. 6), in dem die notwendigen Bohrhülsen, Pins, Bohrer sowie Hand- und Maschineninstrumente integriert sind. In zugebissenem Zustand werden die horizontalen Bohrungen durch die Hülsen mit dem 1,5 mm Spiralbohrer durchgeführt.
In die gebohrten Kanäle werden drei Befestigungspins bis zum Anschlag eingesteckt. Die Präparation der Implantatbetten erfolgt komplett durch die Bohrhülsen in der Schablone. Für die nacheinander folgenden Spiralbohrer mit den Durchmessern von 1,5; 2,0; 2,8; 3,0 und 3,3 mm stehen in dem Instrumentarium entsprechende Doppelbohrhüsen zur Verfügung (Abb. 7).
Um die Stabilität der Bohrhülsen zu erhöhen, werden diese auf die Schablone aufgeschraubt. Zusätzlich wird in das erste präparierte Implantatbett ein vertikaler Pin mit dem gleichen Durchmesser inseriert. Die Implantatbetten werden durch die Bohrhülsen präpariert und die Implantate durch die Schablone bis zum Anschlag des Einbringpfostens inseriert (Abb. 8).
Nach der Abnahme der Schablone wird die vertikale Position der Implantate geprüft. Nachfolgend bereitet der Behandler den präfabrizierten Steg vor. Dazu platziert er die Abutments im Steg, setzt den Steg im Patientenmund ein und fixiert Steg und Abutments mittels Schrauben und mit Hilfe von einem Drehmomentschlüssel (Abb. 9).
Bei der Insertion der Implantate kann es zu minimalen Abweichungen in deren Positionen kommen, die aber mit den Abutments noch korrigiert werden können. Es handelt sich um speziell für dieses System entwickelte dezentrische „EBF“-Abutment (Eccentric Bar Fixation), mit einer Abweichung von 0,3 mm von der Mitte gemessen, die durch einen Schlitz gekennzeichnet ist. Mit den dezentrischen Abutments ist es problemlos möglich, eventuelle Abstands-Abweichungen bei der Implantatinsertion von bis zu 0,6 mm auszugleichen (Abb. 10).
Der Steg wird mit Schrauben durch die Abutments auf den Implantaten fixiert und diese werden mit einem Drehmoment von 30 N/cm festgezogen. Im letzten Schritt wird durch eine Abformung die definitive Position des Steges vom Mund auf das Arbeitsmodell übertragen. Dafür wird die Prothese vorbereitet, indem in der Unterseite ein ausreichender Hohlraum für die Abutments und den Steg ausgefräst wird.
Für den Rundsteg sind 2,6 mm vertikaler Höhe und für den gefrästen Steg sind 4 mm notwendig. Die Abformung wird mit der Prothese und einem formstabilen Abdruckmaterial (z. B. Impregum) bei leicht geschlossenem Mund genommen.
Die Abformung wird kontrolliert und ins Labor geschickt. Im Labor wird ein Meistermodell angefertigt, indem ein weiterer, gleicher Steg (rund oder gefräst) in die Abformung reponiert wird. Einige Stunden später kann die fertige Deckprothese eingegliedert werden.
Die Ergebnisse
Die Studie berücksichtigt die Ergebnisse von Patienten, denen nach einem einzeitigen Protokoll zwei Zahnimplantate im interforaminalen Bereich des Unterkiefers mit anschließender Sofortbelastung eingesetzt wurden. Verteilung der Patienten nach Geschlecht: 519 (52,69 %) Frauen, 466 (47,31 %) Männer. Das Alter der Patienten liegt zwischen 42 und 89 Jahren (Durchschnittswert 69,08 Jahre). Verteilung der Patienten nach klinischer Ausgangssituation: 472 Patienten (47,92 %) mit vollständiger Unterkieferzahnlosigkeit und 513 Patienten (52,08 %) mit teilweiser Unterkieferzahnlosigkeit, bei denen eine Zahnextraktion und Sofortimplantation am Unterkiefer durchgeführt wurden.
Statistik allgemeiner somatischer Erkrankungen: 32 Patienten (3,25 %) hatten Typ-II-Diabetes, 4 Patienten (0,41 %) litten an Morbus Parkinson. 323 Patienten (32,79 %) waren nikotinabhängig, 662 Patienten (67,21 %) waren ohne Befund. Bei 615 Patienten (62,44 %) wurde der chirurgische Eingriff nach einer offenen Methode mit Ablösung des Mukoperiostlappens durchgeführt, bei 370 Patienten (37,56 %) nach einer geschlossenen Methode unter Verwendung einer individuellen Operationsschablone.
Bei 710 Patienten (72,08 %) wurden Stege mit Riegel zur Fixierung der Deckprothese verwendet und bei 275 Patienten (27,92 %) Stege mit rundem Profil (Abb. 11). Nach der Behandlung besuchten die meisten Patienten regelmäßig die Klinik für Nachuntersuchungen. Komplikationen beziehen sich hauptsächlich auf den Druck der Prothesenbasis auf die Schleimhaut des Alveolarfortsatzes (Druckstelle), die sofort beseitigt wurden.
Die Erfolgsrate der implantologischen Rehabilitation von Patienten mit zahnlosem Unterkiefer war langfristig hoch: 97,26 %. Spätere Komplikationen waren mit mechanischen Versagen wie Komponentenbrüche, begleitender Pathologie oder schlechter Patientenhygiene verbunden.
Dies führte schließlich zur Entwicklung biologischer Komplikationen (Periimplantitis, Desintegration) mit anschließendem Verlust eines oder beider Zahnimplantate. So wurde in der späten Phase der geplanten Untersuchungen unter denjenigen, die Deckprothesen verwendeten, bei 16 (1,62 %) Patienten ein nicht erhaltungsfähiges Implantat entfernt. Bei 11 (1,12 %) Patienten wurden beide Implantate entfernt (Abb. 12).
Später unterzogen sich 18 (1,83 %) Patienten einer wiederholten Zahnimplantation nach der gleichen Methode. Bei 9 (0,91 %) Patienten waren die mechanische Komplikationen mit dem Versagen der Befestigungsschrauben oder Steges verbunden (Abb. 13 und 14), was einen sofortigen Ersatz der gebrochenen Teile erforderlich machte (Abb.15).
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Abb. 14: Abgebrochenes Rundsteg und gebrochene Befestigungsschraube.
© Zahnimplantat-Klinik Düsseldorf -
Abb. 15: Als Reparatur ein neuer Steg und neue Schrauben.
© Zahnimplantat-Klinik Düsseldorf
Diskussion
In unserer Studie griffen wir auf das Konzept einer auf zwei Implantaten verankerten Deckprothese und einem Stegfixationssystem (Sliwowski Overdenture System „SOS“) als Mindestversorgungsstandard für den zahnlosen Unterkiefer zurück. Schließlich ist bekannt, dass Implantate für eine bessere Stabilität und Retention der Unterkieferprothese sowie für eine bessere Kaufunktion sorgen [14].
Zahnersatz auf einem atrophierten Unterkiefer, der von zwei Implantaten getragen wird, bietet Zahnärzten eine gute Gelegenheit, die Mundgesundheit und Lebensqualität von Patienten zu verbessern [7]. Kurz- und Langzeitergebnisse deuten darauf hin, dass eine Unterkieferprothese, die durch zwei sofortbelastbare Implantate in Kombination mit konventionellen Oberkieferprothesen eine bessere Kauleistung und mundgesundheitsbezogene Lebensqualität bietet als konventionelle Totalprothesen des Unterkiefers [1, 4].
Zur Fixierung von Prothesen auf Implantaten werden verschiedene Befestigungssysteme effektiv eingesetzt, wobei jedes System Vor- und Nachteile hat [2,3,6,9,15]. Wie unsere Studie gezeigt hat, müssen Implantatpatienten mit Deckprothesen ständig überwacht werden, um sowohl biologische als auch mechanische Komplikationen rechtzeitig zu verhindern und zu beseitigen.
Schlussfolgerungen
Aus den Ergebnissen unserer retrospektiven klinischen Studie zur Wirksamkeit der Behandlungsmethode des zahnlosen Unterkiefers mit dem Sliwowski Overdenture System „SOS“ lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- Perfekte Passform und hohe Qualität der präfabrizierten Elemente des Sliwowski Overdenture Systems „SOS“.
- Das Sliwowski Overdenture Systems „SOS“ garantiert dem Patienten einen hohen Tragekomfort der Deckprothese auf dem Implantatsteg und einen stabilen Sitz der prothetischen Versorgung über einen langen Zeitraum (Abb. 16).
- Postoperativ betrafen die festgestellten Probleme hauptsächlich den Druck der Prothesenbasis auf die Schleimhaut des Alveolarfortsatzes (Druckstelle), die direkt behoben werden konnten und das Behandlungsergebnis nicht wesentlich beeinflussten.
- Komplikationen in der Früh- und Spätphase der Rehabilitation lassen sich in den allermeisten Fällen vermeiden. Regelmässige Vorsorgeuntersuchungen und eine abgestimmte Kommunikation zwischen Zahnarzt und Patient sind hier natürlich Voraussetzung.