Knochenmanagement


Biologischer Eigenknochenaufbau im atrophierten Unterkieferseitenzahnbereich beidseits

© Dr. Frank Zastrow
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Eine 57-jährige Patientin stellte sich mit einer schon seit längerer Zeit bestehenden Freiendsituation im Unterkiefer beidseits vor. Ziel der geplanten Behandlung war die adäquate prothetische Neuversorgung in beiden Quadranten. Die Augmentation erfolgte mittels Biologischem Eigenknochenaufbaus und rein autologem Knochen (Split Bone Technique nach Khoury). Nach guter Ausheilung des augmentierten Bereiches wurden beidseits jeweils zwei Implantate inseriert, die nach erfolgreicher Osseointegration freigelegt und mit keramisch verblendeten und okklusal verschraubten Brücken versorgt wurden.

Bei über einen längeren Zeitraum fehlender funktioneller Belastung in einem Kieferabschnitt kann es zu ausgeprägter Knochenatrophie kommen [1-3]. Die Rekonstruktion dieser Knochendefekte ist die Grundlage einer dauerhaften Wiederherstellung gesunder Gewebeverhältnisse und prothetischer Restauration.

Zur Schaffung eines ausreichend dimensionierten neuen Implantatlagers können Knochendefekte mit autologen Knochenblöcken, Knochenersatzmaterial oder einer Kombination der beiden Verfahren rekonstruiert werden [4, 5]. Im vorliegenden Fall erfolgte die Rekonstruktion des periimplantären Knochendefektes mittels Biologischem Eigenknochenaufbau (Split Bone Technik nach Prof. Khoury) [6,7]. Dieses chirurgische Protokoll sieht eine Kombination aus autologen Knochenblöcken und der Applikation partikulierter autologer Knochenspäne vor.

Ausgangssituation

  • Abb. 1: Die röntgenologische Ausgangssituation.

  • Abb. 1: Die röntgenologische Ausgangssituation.
    © Dr. Frank Zastrow
Eine 57-jährige Patientin stellte sich mit einer schon seit längerer Zeit bestehenden Freiendsituation im Unterkiefer beidseits vor. Ziel der geplanten Behandlung war die adäquate prothetische Neuversorgung mittels Implantat getragener Brücken (Abb. 1).

Chirurgische Maßnahmen

Die beiden Prämolaren 35 und 45 wiesen aufgrund der fehlenden Molaren eine starke Überbelastung und einen damit einhergehenden Lockerungsgrad 3 auf und mussten extrahiert werden (Abb. 2).

  • Abb. 2: Die röntgenologische Ausgangssituation nach Extraktion von 35 und 45.
  • Abb. 3 und 4: Die intraorale Situation zeigt den schmalen Kieferkamm im Unterkiefer beidseits.
  • Abb. 2: Die röntgenologische Ausgangssituation nach Extraktion von 35 und 45.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 3 und 4: Die intraorale Situation zeigt den schmalen Kieferkamm im Unterkiefer beidseits.
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Nach einer Ausheilungsphase von 6 Wochen erfolgte die Rekonstruktion des verlorengegangenen Knochens (Abb. 3 und 4).

Beidseits retromolar wurde dazu ein kortiko-spongiöser Knochenblock entnommen und in zwei dünne Knochenschalen geteilt (Split bone technique by Prof. Khoury) und diese wiederum weiter ausgedünnt. Es erfolgte nun die Rekonstruktion des Knochendefekts, wobei die Knochenschalen bukkal auf Distanz gesetzt und mit kleinen Osteosyntheseschrauben fixiert wurden. Es ist eine Kieferkammbreite von 7-8 mm anzustreben, wobei bei der Methode des Biologischen Eigenknochenaufbaus nicht überaugmentiert werden muss, da die Resorptionsgefahr äußerst gering ist (Abb. 5-8).

  • Abb. 5: Ausgangssituation nach Lappenöffnung Unterkiefer links.
  • Abb. 6: Der Biologische Eigenknochenaufbau (BEKA) mittels autologen Knochenschalen, die auf Distanz gesetzt werden.
  • Abb. 5: Ausgangssituation nach Lappenöffnung Unterkiefer links.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 6: Der Biologische Eigenknochenaufbau (BEKA) mittels autologen Knochenschalen, die auf Distanz gesetzt werden.
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  • Abb. 7: Ausgangssituation nach Lappenöffnung Unterkiefer rechts.
  • Abb. 8: Der Biologische Eigenknochenaufbau (BEKA) im Unterkiefer rechts mittels autologen Knochenschalen, die auf Distanz gesetzt werden.
  • Abb. 7: Ausgangssituation nach Lappenöffnung Unterkiefer rechts.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 8: Der Biologische Eigenknochenaufbau (BEKA) im Unterkiefer rechts mittels autologen Knochenschalen, die auf Distanz gesetzt werden.
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Anschließend wurde der bestehende Hohlraum entsprechend der Prinzipien des Biologischen Eigenknochenaufbaus (nach Prof. Khoury) mit partikulierten Knochenspänen, die beim Ausdünnen der Knochenblöcke gewonnen worden waren, aufgefüllt. Durch diese Methode wird im Unterschied zu kompakten Kortikalisblöcken die Oberfläche des Knochens vergrößert, was wiederum zu einer größeren Angriffsfläche für die zuführenden Gefäße führt und damit eine schnellere Ernährung des aufgebauten Knochens erlaubt (Abb. 9-12).

  • Abb. 9: Auffüllen des Spaltes mit vitalen Knochenspänen.
  • Abb. 10: Das Auffüllen des Containers im linken Unterkiefer mittels autologen Knochenspänen.
  • Abb. 9: Auffüllen des Spaltes mit vitalen Knochenspänen.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 10: Das Auffüllen des Containers im linken Unterkiefer mittels autologen Knochenspänen.
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  • Abb. 11: Auffüllen des Spaltes mit vitalen Knochenspänen.
  • Abb. 12: Das Auffüllen des Containers rechter Unterkiefer mittels autologen Knochenspänen.
  • Abb. 11: Auffüllen des Spaltes mit vitalen Knochenspänen.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 12: Das Auffüllen des Containers rechter Unterkiefer mittels autologen Knochenspänen.
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Auf eine Abdeckung durch eine Membran wird verzichtet, da dies die zuführenden Blutgefäße behindern würde. Ebenfalls wird auf einer Perforierung des Restknochens verzichtet. Die Wunde wird nach einer ausreichenden Periostschlitzung spannungsfrei verschlossen (Abb. 13).

  • Abb. 13: Man kann bei der Periostschlitzung einen der drei Nerväste in der Mentalisregion erkennen.
  • Abb. 14: Das postoperative Röntgenbild zeigt deutlich die Knochenentnahmestelle im 4. Quadranten und den augmentierten Bereich.
  • Abb. 13: Man kann bei der Periostschlitzung einen der drei Nerväste in der Mentalisregion erkennen.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 14: Das postoperative Röntgenbild zeigt deutlich die Knochenentnahmestelle im 4. Quadranten und den augmentierten Bereich.
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Die Kontrollröntgenaufnahme zeigt deutlich die mittels Osteosyntheseschrauben aufgebauten Augmentationsbereiche sowie die retromolaren Entnahmestellen im dritten und vierten Quadranten (Abb. 14).

Die Wiedereröffnung des Operationsgebietes erfolgte nach vier Monaten. Länger sollte nicht mit dem Re-entry gewartet werden. Es zeigte sich eine komplette Verknöcherung des Augmentats und keine Resorptionen im Bereich der Fixationsschrauben (Abb. 15 und 16).

  • Abb. 15: Der gut revaskularisierte Knochen im Unterkiefer links. Keine erkennbare Resorption im Bereich der Fixationsschrauben.
  • Abb. 16: Der gut revaskularsierte Knochen im Unterkiefer rechts. Keine erkennbare Resorption im Bereich der Fixationsschrauben.
  • Abb. 15: Der gut revaskularisierte Knochen im Unterkiefer links. Keine erkennbare Resorption im Bereich der Fixationsschrauben.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 16: Der gut revaskularsierte Knochen im Unterkiefer rechts. Keine erkennbare Resorption im Bereich der Fixationsschrauben.
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  • Abb. 17: Die Insertion von zwei Implantaten im Unterkiefer links.
  • Abb. 18: Die Insertion von zwei Implantaten im Unterkiefer rechts.
  • Abb. 17: Die Insertion von zwei Implantaten im Unterkiefer links.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 18: Die Insertion von zwei Implantaten im Unterkiefer rechts.
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  • Abb. 19: Zustand nach Freilegung und Aufbringen der Gingivaformer.
  • Abb. 19: Zustand nach Freilegung und Aufbringen der Gingivaformer.
    © Dr. Frank Zastrow

Die Freilegung erfolgte nach 4 Monaten mittels einfacher Stichinzision. Die Verschlussschrauben wurden entfernt und Gingivaformer auf die Implantate aufgeschraubt (Abb. 17-19).

  • Abb. 20a und b: Der verschraubte Zahnersatz auf dem Meistermodell.

  • Abb. 20a und b: Der verschraubte Zahnersatz auf dem Meistermodell.
    © Dr. Frank Zastrow
Prothetische Versorgung Nach offener Abformung wurde im Labor ein Meistermodell erstellt und es erfolgte die Herstellung eines Kobalt- Chrom-Brückengerüstes im CAD/CAM-Verfahren. Nach Herstellung des Gerüstes wurde dieses mit Verblendkeramik fertig gestellt (Abb. 20).

Die Kronen wurden auf den Implantaten verschraubt, um einer durch Befestigungszement induzierten Periimplantitis sicher entgegenzuwirken. Das klinische Abschlussfoto zeigt reizfreies Weichgewebe im periimplantären Bereich sowie eine ausreichende keratinisierte Mukosamanschette periimplantär (Abb. 21 und 22).

  • Abb. 21: Der fertige Zahnersatz eingegliedert.
  • Abb. 22: Der fertige Zahnersatz eingegliedert.
  • Abb. 21: Der fertige Zahnersatz eingegliedert.
    © Dr. Frank Zastrow
  • Abb. 22: Der fertige Zahnersatz eingegliedert.
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  • Abb. 23: Das Abschlussröntgenbild.
  • Abb. 23: Das Abschlussröntgenbild.
    © Dr. Frank Zastrow

Die Verschraubung stellt eine wichtige Prävention gegen das Auftreten einer Periimplantitis dar. Das röntgenologische Abschlussfoto zeigt die knöcherne Regeneration des Defektes und gute Osseointegration der Implantate (Abb. 23).

Diskussion

Im vorliegenden Fall erfolgte die Rekonstruktion der schmalen Kieferkämme nach dem Konzept des Biologischen Eigenknochenaufbaus. Hierbei wird ein retromolarer Knochenblock entnommen und in zwei Knochenschalen geteilt und ausgedünnt (Split Bone Technik Prof. Khoury). Durch diese Schalen wird eine Art Container gebildet und der entstehende Zwischenraum in der Folge mit partikulierten autologen Knochenspänen gefüllt. Im Gegensatz zu Knochenersatzmaterial garantiert die ausschließliche Verwendung von autologem Knochen eine sichere und schnellere Knochenneubildung aufgrund der osteoinduktiven Potenz.

Durch die hohe Präzision, mit denen heute verfügbare CAD/CAM-Systeme implantatprothetische Gerüste fertigen können, ist eine direkte Verschraubung auf den Implantaten möglich. Diese Vorgehensweise bietet zwei Vorteile: Zum einen ist es möglich, auf ein Abutment zu verzichten, wodurch eine zusätzliche Fügestelle und ein Ort potentieller Bakterieninfiltration entfällt. Zudem entfällt durch die Verschraubung die Notwendigkeit der Befestigung der Kronen mit Zement, was einer Zement induzierten Periimplantitis sicher entgegenwirkt.

Mit dem beschriebenen Protokoll können schmale Unterkieferkämme sicher rekonstruiert und mit einer verschraubten, festsitzenden Implantat getragenen prothetischen Restauration langfristig ästhetisch und funktionell versorgt werden.


Weitere Informationen:

SAVE THE DATE: Symposium in Heidelberg

Dr. Frank Zastrow ist Oralchirurg aus Heidelberg und lädt zusammen mit der BBA Academy (bba-academy.com) ein, am internationalen BBA Symposium am 25-27. September 2020 in Heidelberg teilzunehmen.

Das Thema des Symposiums lautet „Aktuelle Trends im Bereich Hart- und Weichgewebemanagement“. Einige der weltweit führenden Kollegen in diesem Bereich, wie Maurice Salama, Michael Pikos, Howie Gluckman, Radoslav Jadach u.v.m. werden an diesem besonderen Event als Referenten teilnehmen. Die Teilnehmerzahl ist limitiert – insbesondere bei den Hands-On Workshops.

Mehr Information unter www.bba-academy.com/rise 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Frank Zastrow