Periimplantitis

Behandlungsstrategien „in statu nascendi“

Periimplantäre Destruktion

Vollständige gründliche Reinigung der Implantatoberfläche ist essentiell. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf
Vollständige gründliche Reinigung der Implantatoberfläche ist essentiell. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf

Schätzungen zufolge werden jährlich mehr als eine Million Implantate gesetzt. Rund 20 Prozent aller Patienten benötigen innerhalb von fünf bis zehn Jahren eine Therapie wegen einer Periimplantitis (PI), zehn Prozent der Implantate sind betroffen. Das ergab eine umfangreiche Literaturrecherche, die ein Team um Prof. Dr. Andrea Mombelli durchgeführt hat [11]. „Die Angaben schwanken von Studie zu Studie“, bemerkt der Hochschullehrer aus Genf und ergänzt: „Faktoren, die die Zahlen beeinflussen, sind etwa die Definition der Krankheit, Unterschiede in der Nachsorge der Patienten oder auch die gewählten Schwellenwerte für die Sondierungstiefen und den Knochenschwund.“

Der Frage „Periimplantitis - explantieren oder behandeln?“ stellten sich anlässlich des Spezialpodiums und Streitgesprächs beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie (DGZI) im Oktober 2012 in Hamburg renommierte Referenten: Prof. Dr. Andrea Mombelli (Universität Genf, Schweiz), Prof. Dr. Anton Sculean (Universität Bern, Schweiz) sowie Prof. Dr. Herbert Deppe (Technische Universität München) diskutierten über ein „hochaktuelles Thema und ein Problem, für das wir noch keine definitive Lösung“ (Sculean) haben.

Eindeutig ist dass das Thema alle Zahnärzte betrifft, Denn: „Selbst wenn man zurückhaltend von zehn Prozent ‚Problemfällen‘ ausgeht“, merkt Deppe kritisch an, „sind das schon 100.000 Implantate mit einer periimplantären Destruktion, die wir in die Zukunft transportieren.“ Der Inhaber des einzigen Extraordinariats für Zahnärztliche Implantologie in Deutschland ist überzeugt, dass sich „jeder Zahnarzt mit diesem Thema auseinandersetzen muss.“

Multifaktorielle Ätiologie

In einem „Einstiegsreferat“ über die Epidemiologie der Periimplantitis stellt Mombelli fest, dass „vor genau 25 Jahren die Periimplantitis geboren wurde“. Denn da hatte der Parodontologe von der Universität Genf erstmals den Begriff „Periimplantitis“ in einer Publikation verwendet [1, 10]. Mombelli verdeutlicht, dass der „ätiologische Auslöser der PI die bakterielle Besiedelung der Implantatoberfläche ist“ [13]. Wie bei der Parodontitis haben auch periimplantäre Entzündungen eine multifaktorielle Genese. Durch die Akkumulation von Plaque kommt es zu einer periimplantären Mukositis, zusätzlich kommt es zu einem entzündlichen Zellinfiltrat, zur Ausbildung einer periimplantären Tasche und zur Destruktion des subepithelialen Bindegewebes [14]. Neben Plaque und mangelnder Mundhygiene sind auch prädisponierende Faktoren, wie Rauchen [5, 6], schlecht eingestellter Diabetes mellitus und ein positiver Interleukin-1-Genotyp mit ursächlich [8, 14].

  • Abb. 2: Patient mit Mukositis, die mechanische Säuberung erfolgt mit einem Pulverstrahlgerät in Verbindung mit Glycin-Pulver. Quelle: Prof. Dr. A. Sculean, Universität Bern
  • Abb. 3: In dem Beispiel ist eine Mukositis mit einer antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPT) therapiert worden. Quelle: Prof. Dr. A. Sculean, Universität Bern
  • Abb. 2: Patient mit Mukositis, die mechanische Säuberung erfolgt mit einem Pulverstrahlgerät in Verbindung mit Glycin-Pulver. Quelle: Prof. Dr. A. Sculean, Universität Bern
  • Abb. 3: In dem Beispiel ist eine Mukositis mit einer antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPT) therapiert worden. Quelle: Prof. Dr. A. Sculean, Universität Bern

  • Abb. 4: Auch andere Laser wie Er:YAG-Laser können die Erfolgsaussichten bei der Therapie (hier Mukositis) erhöhen. Quelle: Prof. Dr. A. Sculean, Universität Bern
  • Abb. 4: Auch andere Laser wie Er:YAG-Laser können die Erfolgsaussichten bei der Therapie (hier Mukositis) erhöhen. Quelle: Prof. Dr. A. Sculean, Universität Bern

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Keimspektrum – es überwiegen anaerob gramnegative Keime – dem der marginalen Parodontopathien gleicht. Parodontopathogene Bakterienspezies, wie P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola, P, intermedia und A. actinomycetemcomitans werden auch bei Patienten mit Implantatmisserfolgen in signifikant erhöhten Konzentrationen isoliert [7].

Und doch verläuft die Periimplantitis im Gegensatz zu Parodontopathien meist aggressiv progressiv. „Im Gegensatz zu parodontal verankerten Zähnen entspricht der periimplantäre Abschluss zur Mundhöhle eher einer bindegewebigen Narbe mit vertikalen Bindegewebsfasern und hohem Kollagenanteil“, erläutert Sculean. „So erreicht das Infiltrat den Knochen schneller als im Falle von parodontal verankerten Zähnen.“ Durch die geringe Gefäßversorgung (Avaskularität) ist die Immunabwehr reduziert. Das begünstigt den aggressiven Verlauf der Periimplantitis [14].

Patienten mit einer parodontalen Vorerkrankung haben Untersuchungen zufolge ein 30 Prozent höheres Risiko für Knochenabbau und eine höhere Implantatverlustquote [19]. Trotzdem können Implantate im parodontologisch kompromittierten Gebiss dauerhaft erfolgreich inseriert werden, wenn zunächst die parodontale Infektion eliminiert und eine bestmögliche Infektionskontrolle durch den Patienten etabliert wird [19]. „Das scheint die größte Herausforderung für den Patienten zu sein: ihn im regelmäßigen und dauerhaften Recall zu halten“, fasst Deppe zusammen. „Auf jeden Fall sollte der Patient im Vorfeld der Therapie über ein mögliches Risiko, aufgrund der Prädisposition eine Mukositis oder sogar Periimplantitis zu entwickeln, aufgeklärt werden“, erklären die Diskutanten. Deppe: „Das schulden wir Patienten schon aufgrund unserer Sorgfaltspflicht.“ Um ein Risikoprofil zu erstellen, sind mikrobiologische Tests „in Erwägung zu ziehen, vor allem wenn ein Antibiogramm angefertigt werden soll“ (Sculean). Genetische Tests können vielleicht erkennen lassen, ob der Patient ein erhöhtes Risiko für Parodontopathien hat (Deppe), sie „verändern aber nicht das Behandlungskonzept“, daher hält sie der Parodontologe aus Bern in diesem Zusammenhang für überflüssig. Sculean: „Die Genetik kann ich nicht verändern, warum soll ich für die Tests sehr viel Geld ausgeben?“

Diagnostik der Mukositis und Periimplantitis

Implantatpatienten – besonders mit einer parodontalpathogenen Vorgeschichte – werden in ein engmaschiges Nachsorgekonzept mit Intervallen von drei Monaten eingebunden [3]. Periimplantär sollten Sondierungstiefen (an mind. vier Messstellen) erhoben werden. Mit den klinischen Parametern „Blutung auf Sondierung“ und Vergleichswerten sind das wesentliche Maßnahmen bei der Nachsorge [16]. In der routinemäßigen Nachsorge bei Implantatpatienten steht die mechanische Entfernung des bakteriellen Biofilms im Vordergrund.

  • Abb. 5: Periimplantäre Infektion ausgelöst durch einen subgingivalen Zementüberschuss. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf

  • Abb. 5: Periimplantäre Infektion ausgelöst durch einen subgingivalen Zementüberschuss. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf
Die Zahnmediziner erklären, dass „die Diagnose einer Mukositis anhand von klinischen Parametern gestellt werden kann“. Zur Abgrenzung einer Periimplantitis sei eine zusätzliche röntgenologische Beurteilung des Knochenabbaus notwendig. Entzündliche eindeutig auf Weichgewebe beschränkende Prozesse (Bluten auf Sondieren!) werden im Vergleich zur Gingivitis als periimplantäre Mukositis bezeichnet [2]. Mombelli: „Die Mukositits ist – vergleichbar mit einer Gingivitis – reversibel. Ist aber das subepitheliale Bindegewebe zerstört und der umgebende Knochen irreversibel resorbiert, lautet die Diagnose Periimplantitis.“

Klinisch zeichnet sie sich aus durch das

  • Vorhandensein von Plaque und Bluten auf Sondieren (Mombelli: „Aber nicht alles, was blutet, ist eine Periimplantitis“),
  • eine Taschentiefe von >= 4 mm und
  • Austritt von Pus.
  • Radiologisch findet sich ein kraterförmiger Knochenabbau um das Implantat.

Besonders tückisch: „Obwohl der Prozess der Entzündung und des Knochenabbaus heftig voranschreitet, ist über einen langen Zeitraum keine erhöhte Implantatmobilität nachweisbar“, erklärt Mombelli [12]. „Denn der osseointegrierte apikale Implantatanteil reicht anfangs aus, um den Eindruck zu erwecken, das Implantat sitze ‚fest‘.“ Die Experten betonen, „man soll und muss sondieren“. Für die Sondierung eignen sich durchaus konventionelle Parodontalsonden aus Metall (0,2 Newton Sonde, 20 Gramm), da sie die bereits raue Implantatoberfläche nur unwesentlich verändern. Mombelli: „ Wir haben noch nie ein Implantat verloren, weil wir sondiert haben, aber es wären schon viele verloren gegangen, hätten wir es nicht getan.“ Der absolute Wert der Sondierungstiefe ist weniger entscheidend als erhöhte Werte innerhalb der Nachsorge. „Reicht die Tasche mehr als 3 mm unter die Implantatschulter, kann auch eine ‚Pseudotasche‘ vorliegen“, bemerkt Mombelli und verdeutlicht, dass „je nach Implantatsystem und Lokalisation des Implantats (z. B. in der ästhetischen Zone würden Implantate häufig tiefer gesetzt) auch 5 bis 6 mm Pseudotaschen möglich“ sind. „Außerdem sollte sichergestellt sein, dass keine Zementreste vorhanden sein“, ergänzt Sculean.

Eine iatrogen verursachte „Zementitis“ kann durch nicht entfernte Zement- oder Kleberüberschüsse entstehen, wenn die Suprakonstruktion mit dem Implantatpfosten zementiert oder verklebt wird [18]. Besonders wenn der Befestigungsspalt unterhalb des Mukosarands liegt – das ist beispielsweise im Frontzahnbereich aus ästhetischen Gründen der Fall – kann die Überschussentfernung kaum unter direkter Sicht erfolgen. Daher muss der Implantologe besonders sorgfältig vorgehen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, im Seitenzahnbereich zu verschrauben statt zu zementieren. Ein weiteres Leitsymptom für eine Mukositis ist die Blutung auf Sondierung. Kommen bei der klinischen Untersuchung noch Eiteraustritt (Sculean: „Oft erkennt man ihn erst, wenn man sondiert!“) und erhöhte Taschentiefen hinzu, „sind weitere diagnostische Schritte erforderlich“ (Sculean). Zur Abgrenzung einer Mukositis von einer Periimplantitis sind das Röntgenbild respektive der Zahnfilm entscheidend.

Therapieansätze der Periimplantitiden

Bei der Diskussion um mögliche Therapieansätze scheint ein Ansatz und Ziel unstrittig zu sein: möglichst früh Entzündungszeichen des periimplantären Gewebes erkennen (entsprechende klinische Untersuchung etablieren!), gegebenenfalls eine Mukositis diagnostizieren und von der Periimplantitis (Knochenabbau röntgenologisch klären!) abgrenzen. Über die weitere Zielsetzung aktueller therapeutischer Konzepte zur Behandlung periimplantärer Entzündungen besteht aktuell keine Klarheit.

Zu den wesentlichen Zielen gehören:

  • Die Dekontamination der betroffenen Implantatoberflächen.
  • Das Beseitigen der periimplantären Läsion, um (weiteren) Knochenabbau zu verhindern und die Elimination von Plaqueretentionsstellen.
  • Das Erreichen einer neuen Biokompatibilität, die eine regenerative Therapie mit einer zumindest bindegewebigen Einheilung ermöglicht (Mombelli: „Auf eine Reosseointegration muss man nicht hoffen.“).

„Die Dekontamination der Implantatoberfläche ist ein extrem schwieriges Unterfangen“ (Sculean) und „in statu nascendi“ (Deppe) (im Zustand der Geburt, Anm. d. Red.) bringen es die Hochschullehrer in der Diskussion auf den Punkt. Mombelli: „ Es gibt hunderte Vorschläge – Genaues wissen wir aber nicht.“ Was sind Trends und Annäherungen an einen „Behandlungsalgorithmus“? Grundsätzlich sollten auch schon vor der Implantatinsertion zunächst präventive Maßnahmen erfolgen, das heißt es gilt gesunde parodontale Verhältnisse zu erreichen und diese zu erhalten. Dazu gehört eine keratinisierte und befestigte Mukosa, ein suffizientes knöchernes Implantatlager und ein sinnvolles chirurgisches und prothetisches Gesamtkonzept [14]. „Sobald bei den Sondierungstiefen 6 mm überschritten sind, die Taschen bei Sondierung bluten oder es zum Pusaustritt kommt und radiologisch ein Knochenverlust nachgewiesen werden kann“, legen sich Mombelli, Sculean und Deppe fest, „ist ein chirurgischer Zugang unabdingbar.“ Dabei sind die „5 bis 6 mm Sondierungstiefe“ ein Erfahrungswert, geben sie an. „Dann muss ein Volllappen gebildet und die Implantatoberfläche unter Sicht gereinigt werden.“

  • Abb. 6: Zementüberschuss gut sichtbar während chirurgischem Eingriff. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf
  • Abb. 7: Nach gründlicher Reinigung der Implantatoberfläche (siehe Abb. 1) folgt das Auffüllen des Defekts mit Knochenersatzmaterial und die Deckung mit resorbierbarer Membran. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf
  • Abb. 6: Zementüberschuss gut sichtbar während chirurgischem Eingriff. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf
  • Abb. 7: Nach gründlicher Reinigung der Implantatoberfläche (siehe Abb. 1) folgt das Auffüllen des Defekts mit Knochenersatzmaterial und die Deckung mit resorbierbarer Membran. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf

  • Abb. 8: Dichter aber spannungsfreier Verschluss. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf
  • Abb. 8: Dichter aber spannungsfreier Verschluss. Quelle: Prof. Dr. A. Mombelli/Dr. Ph. Wick, Universität Genf

Womit gereinigt wird respektive mit welchen Mitteln die Implantatoberfläche dekontaminiert wird – darüber besteht der größte Diskurs. „Tierexperimentelle Daten zeigen, dass sogar in Kochsalz getränkte Wattebäusche den gewünschten Effekt bringen können“, so Deppe. Mombelli verdeutlicht, dass wir „weit von einem Goldstandard“ entfernt sind und eine „Reinigung plus antimikrobieller Therapie erfolgreich sein kann“, wie eine aktuelle Übersichtsarbeit seines Teams ergeben hat, jedoch aufgrund der dünnen vergleichbaren Studienlage „keine Langzeitgarantie auszusprechen ist“ [9]. Die mechanische Säuberung erfolgt „zum Beispiel mit einem Pulverstrahlgerät in Verbindung mit Glycin-Pulver, etwa mit Perioflow“, beschreibt Sculean.

Das kombiniert der Parodontologe mit einer antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPT), also einer Biofilmbekämpfung mit niedrig energetischem Laserlicht [17]. Auch andere Laser wie Er:YAG-Laser oder CO2-Laser können die Erfolgsaussichten erhöhen, klärt Sculean auf [4]. Lokal desinfizierende Lösungen (z. B. 0,1-prozentige CHX-Lösung) und die ergänzende Gabe eines lokal wirkenden Antibiotikums können unterstützend wirken. Mombelli führt aus, ein systemisch wirkendes Antibiotikum zu verordnen. „Auch hierbei gibt es keine einheitliche Empfehlung. In unserer Abteilung verwenden wir standardmäßig Amoxicillin (3 x 500 mg/d für sieben Tage) und Metronidazol (2 x 250 mg/d für sieben Tage)“ [9].

  • Unter der Moderation von DGZI-Präsident Prof. Dr. Dr. Frank Palm diskutierten über periimplantäre Destruktionen und mögliche Therapieansätze: Prof. Dr. Herbert Deppe, Extraordinarius für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, Prof. Dr. Anton Sculean, Direktor der Klinik für Parodontologie an der Universität Bern sowie Prof. Dr. Andrea Mombelli, Leiter der Abteilung für Orale Physiopathologie und Parodontologie der Universität Genf (von links). Quelle: DGZI

  • Unter der Moderation von DGZI-Präsident Prof. Dr. Dr. Frank Palm diskutierten über periimplantäre Destruktionen und mögliche Therapieansätze: Prof. Dr. Herbert Deppe, Extraordinarius für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, Prof. Dr. Anton Sculean, Direktor der Klinik für Parodontologie an der Universität Bern sowie Prof. Dr. Andrea Mombelli, Leiter der Abteilung für Orale Physiopathologie und Parodontologie der Universität Genf (von links). Quelle: DGZI
Jenseits der 5 mm-Knochentasche ist eine chirurgische Resektion mit regenerativen Maßnahmen das Mittel der Wahl. Dabei empfiehlt sich die regenerative Therapie mit autologem Knochen. Trotz autologem Knochentransplantat kann nicht von einer direkten Reosseointegration der Implantatoberfläche ausgegangen werden. Oft bildet sich zwischen Knochen und Implantatoberfläche eine bindegewebige Narbe aus. „Ich versuche Knochen aufzubauen, um das Implantat zu halten“, führt Sculean aus. „Dabei haben sich neben autologem Knochen Knochenersatzmaterialien mit guter Osteokonduktivität bewährt, die langsam resorbieren.“ Die Abdeckung erfolgt mit einer resorbierbaren Membran, z. B. Bio-Gide®. Die Fachleute betonen, dass die gedeckte Heilung anzustreben und daher die Suprakonstruktion zu entfernen ist. Jedoch sollte man sich vor aufwändigen resektiven Maßnahmen überhaupt erst einmal klar werden, inwieweit eine Periimplantitis-Therapie sinnvoll ist oder die Explantation die bessere Alternative darstellt. Eine Beurteilung findet im Regelfall aufgrund des Knochenverlustes statt [14]. Deppe: „Jenseits der 50 Prozent Knochenverlust wird es schwierig, das Implantat zu halten.“

Fazit für die Praxis

Mit dem Thema ‚Periimplantitis‘ steht eines der derzeit besonders im Hinblick auf den Langzeiterfolg von Implantaten wichtigen Themen im Blickpunkt. Bei der Diskussion wird klar: Viel mehr vergleichbare Studien müssen therapeutische Schlussfolgerungen untermauern und ein evidenzbasiertes Behandlungsprotokoll ermöglichen. Aktuell lassen sich maximal Trends zum einen bei der Implantattherapie zur Vermeidung der Periimplantitis und bei der Periimplantitis-Therapie erkennen:

  • Bereits vor der Implantatinsertion gesunde parodontologische Verhältnisse schaffen und im engmaschigen Recall etablieren.
  • Prothetische Rekonstruktionen wählen, die eine effektive Infektionsprophylaxe an den Implantaten zulassen.
  • Iatrogen verursachte „Zementitis“ durch entsprechende Sorgfalt vorbeugen (ggf. im Seitenzahnbereich verschrauben).
  • Eine bakterielle Besiedelung der Implantatoberfläche möglichst durch Mundhygiene-Maßnahmen eindämmen und innerhalb der Nachsorge (Recall, Unterstützende Parodontitis-Therapie, UPT) überprüfen; Risikofaktoren, z.B. Tabakkonsum, minimieren.
  • Möglichst früh Entzündungszeichen des periimplantären Gewebes erkennen (entsprechende klinische Untersuchung etablieren!), gegebenenfalls eine Mukositis diagnostizieren und von der Periimplantitis (Knochenabbau röntgenolisch klären!) abgrenzen.
  • Zügig eine Dekontamination der Implantatoberfläche schaffen – mit Hilfe von Kombinationstherapien (z. B. Pulverstrahlgeräte/Glycin-Pulver, Laserlicht, Spülungen, Gele, lokale/ systemische Antibiose).
  • Bei Taschentiefen von >= 6 mm mit Blutung auf Sondierung und/oder Pusentleerung sowie einem radiologisch nachweisbaren Knochenverlust chirurgischen Zugang (inkl. Volllappen) schaffen und eine Säuberung und Dekontamination unter Sicht ermöglichen.
  • Bei fortgeschrittener Periimplantitis nicht herumexperimentieren, sondern wenn nötig Explantieren, um nicht weiteren Knochen zu verlieren.

Kommt mit der Periimplantitis ein „Tsunami“ auf uns zu [14]? „Nach über 25 Jahre Erforschung der Periimplantitis ist heute klar, dass eine Infektion Implantat tragender Gewebe Realität ist und ein ernst zu nehmendes Problem darstellt“, fasst Mombelli zusammen. „Ein Tsunami aber würde es erst dann“, so Deppe, „wenn unsere Patienten kein Interesse an Mundhygiene-Maßnahmen hätten. Ein bisschen Vertrauen darin sollten wir schon mitbringen.“


Weitere Informationen:

Für Ihren Terminkalender: Der 43. Internationale Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie (DGZI) findet am 4. und 5. Oktober in Berlin statt. Weitere Informationen auf www.dgzi.de

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Aneta Pecanov-Schröder

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Aneta Pecanov-Schröder