Weichgewebsmanagement

Ein Fallbericht zum Hart- und Weichgewebemanagement

Restauration eines anterioren Kieferkamms

15.06.2012


Heutzutage können wir durch die Verwendung von hochwertigen Implantatsystemen hervorragende Erfolgsraten erzielen. Sie bieten vorhersagbare Unterstützung, Verankerung und Halt für die Suprakonstruktion. Implantate sind zwar prädestiniert für den Ersatz fehlender Zähne, allerdings geht der Zahnverlust in der Regel auch mit Gewebedefiziten einher, die durch Infektionen, Trauma oder sogar durch die Zahnextraktion selbst verursacht werden. Ohne eine Restauration des verlorenen Gewebes wird es schwierig, eine harmonische, funktionelle und ästhetisch wirkende Zahnreihe mit einer implantatgetragenen Versorgung zu erreichen.

Um diese Defekte auszugleichen und die periimplantären Strukturen zu verbessern, sind Maßnahmen zum Gewebemanagement angezeigt. Wir müssen ein ausreichendes knöchernes Volumen wiederherstellen, um die Osseointegration und die Unterstützung des angrenzenden Weichgewebes zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen wir mithilfe des Weichgewebemanagements für eine adäquate Breite der keratinisierten Gingiva und Weichgewebsdicke sorgen, um das Hartgewebe zu schützen, eine suffiziente rote Ästhetik zu generieren sowie durch eine geschlossene Zahnreihe für eine bessere Funktion und einfachere Pflege zu sorgen. Meine Erfahrung im Hinblick auf die Behandlung und die Nachsorge mit dem XiVE-Implantatsystem (DENTSPLY Friadent, Mannheim) legt nahe: Je besser wir die Gewebeumgebung regenerieren, etwa durch ausreichend dimensionierte keratinisierte Gingiva, desto mehr Knochen werden wir in der Regel um das Implantat herum vorfinden. Dadurch bleibt das krestale Knochenniveau stabil, und eine Anlagerung des Knochens auf der Implantatschulter ist auch langfristig gesichert (Abb. 1a und b).

  • Abb. 1a: Langfristig stabiles Knochenniveau um XiVE Implantate nach einer Belastung über 52 Monate.
  • Abb. 1b: Klinische Situation, analog zu Abbildung 1a.
  • Abb. 1a: Langfristig stabiles Knochenniveau um XiVE Implantate nach einer Belastung über 52 Monate.
  • Abb. 1b: Klinische Situation, analog zu Abbildung 1a.

In vielen Fällen hat sich gezeigt, dass der interproximale Knochen zwischen zwei benachbarten Implantaten auch nach Jahren unter Belastung stabil bleibt. Wenn wir das XiVE Implantat bestmöglich nutzen und genügend periimplantäre Gewebe aufbauen können, haben wir möglicherweise eine bessere Chance, die verloren gegangenen oralen Strukturen mit der Ästhetik und der Harmonie von natürlichen Zähnen zu rekonstruieren. Um die Anforderungen an adäquate periimplantäre Gewebe zu erfüllen, sind unter Umständen mehrere chirurgische Eingriffe erforderlich. In diesem Artikel wird ein Fall vorgestellt, bei dem verloren gegangene Gewebe wieder aufgebaut und das strukturelle Milieu für das inserierte Implantat verbessert wurde.

Fallbericht

Eine 38-jährige Patientin, die sich eine Rehabilitation der verloren gegangenen Zähne mit einer implantatgetragenen festsitzenden Versorgung wünschte, präsentierte sich mit einer mäßigen bis fortgeschrittenen Parodontitis und infolge dessen auch mit entsprechender Geweberezession (Abb. 2). Es wurden ein ausgedehnter Knochendefekt sowie eine durch die Parodontitis verursachte Entzündung festgestellt, insbesondere im Bereich der maxillaren Schneidezähne (Abb. 3). Die komplette dentale Rehabilitation wurde geplant und der Patientin eine implantatgetragene feste Restauration im Bereich 11, 21, 22 vorgeschlagen. Aufgrund des starken Gewebeverlusts wurde im Anschluss an die Zahnextraktion mittels Kollagenmembran einem weiteren Knochenabbau entgegengewirkt. Anschließend wurde die Guided Bone Regeneration (GBR) in mehreren Schritten sowie die Implantatbehandlung geplant.

  • Abb. 2: Ausgangssituation: Eine 38-jährige Patientin mit fortgeschrittener Parodontitis.
  • Abb. 3: Der Zahnfilm vor der Behandlung belegt die klinischen Resultate.
  • Abb. 2: Ausgangssituation: Eine 38-jährige Patientin mit fortgeschrittener Parodontitis.
  • Abb. 3: Der Zahnfilm vor der Behandlung belegt die klinischen Resultate.

GBR-Verfahren vor der Implantatinsertion

Sechs Wochen nach der Extraktion der Zähne 11, 21, 22 aufgrund fortgeschrittener Parodontitis war die Schleimhaut gut verheilt. Allerdings wurde ein starker Knochenabbau sowohl horizontal als auch vertikal festgestellt. Zur Verbesserung des Knochenvolumens, und um eine optimale Implantatposition in Bezug auf Angulation und Tiefe zu erzielen, wurde die Hartgewebsrekonstruktion vor der Implantatinsertion geplant. Die Schleimhaut wurde bis in den palato-labialen Bereich der Eckzähne ausgedehnt und ein vertikaler Entlastungsschnitt angelegt. Nach Mobilisation des Lappens wurden die Defekte mit horizontalem und vertikalem Knochenverlust sichtbar (Abb. 4).

  • Abb. 4: Nach Mobilisation der Schleimhaut werden die durch die Zahnextraktion entstandenen Knochendefekte evident.
  • Abb. 5: Der aus dem posterioren Unterkiefer gewonnene Knochenblock wird am Alveolarkamm fixiert. Autologe Knochenspäne werden um das Blocktransplantat eingebracht.
  • Abb. 4: Nach Mobilisation der Schleimhaut werden die durch die Zahnextraktion entstandenen Knochendefekte evident.
  • Abb. 5: Der aus dem posterioren Unterkiefer gewonnene Knochenblock wird am Alveolarkamm fixiert. Autologe Knochenspäne werden um das Blocktransplantat eingebracht.

Ein im Bereich der linea obliqua externa des linken Unterkiefers gewonnener Knochenblock wurde in den regiones 21 bis 22 mit einer Osteosyntheseschraube fixiert (Abb. 5).

Ein bukkal angebrachtes Titannetz diente zur Stabilisierung des geschaffenen Raums und stützte gleichzeitig das Weichgewebe (Abb. 6). Für eine optimale Adaptation wurde das Titannetz getrimmt und angepasst. Das GBR-Verfahren wurde mit allogenem Knochen (FDBA) und autogenen Knochenspänen im Bereich der Zähne 11, 21, 22 kombiniert und das so augmentierte Areal anschließend mit einer resorbierbaren Barriere- Membran bedeckt (Abb. 7). Durch eine Periostschlitzung wurde ein spannungsfreier primärer Wundverschluss erzielt. Auf diese Weise wird eine problemlose Ausheilung ermöglicht und gleichzeitig die frühzeitige Exposition der zur Augmentation verwendeten Materialien vermieden.

  • Abb. 6: FDBA-Partikel werden über das autogene Knochentransplantat platziert. Im labialen Bereich wird ein Titangitter mit Platzhalterfunktion eingesetzt.
  • Abb. 7: Der augmentierte Bereich wurde mit einer Kollagenmembran bedeckt.
  • Abb. 6: FDBA-Partikel werden über das autogene Knochentransplantat platziert. Im labialen Bereich wird ein Titangitter mit Platzhalterfunktion eingesetzt.
  • Abb. 7: Der augmentierte Bereich wurde mit einer Kollagenmembran bedeckt.

Implantatinsertion mit GBR-Verfahren

Das Implantat wurde sechs Monate nach der ersten unauffällig verlaufenden Knochenrekonstruktion inseriert (Abb. 8). Ein Mukoperiostlappen wurde analog des ersten Eingriffs präpariert und vorsichtig mobilisiert. Nach dem Entfernen der Befestigungsschraube und des Titannetzes (Abb. 9) zeigte sich neugebildeter Knochen, der für die primärstabile Insertion der Implantate in der geplanten Position adäquat erschien.

  • Abb. 8: Störungsfreie Einheilung des Augmentats.
  • Abb. 9: Sechs Monate nach dem Knochenaufbau war neugebildeter Knochen erkennbar. Titannetz und Knochenschraube sind entfernt worden.
  • Abb. 8: Störungsfreie Einheilung des Augmentats.
  • Abb. 9: Sechs Monate nach dem Knochenaufbau war neugebildeter Knochen erkennbar. Titannetz und Knochenschraube sind entfernt worden.

Das vorhandene Knochenvolumen war jedoch noch immer nicht ausreichend, um die Weichgewebsmanschette zwischen den Implantaten ausreichend zu stabilisieren, sodass eine weitere Knochenaugmentation vorgenommen werden musste. Nach der Implantatbettaufbereitung wurden zwei XiVE Implantate D 4,5 mit der Länge 13 mm an den Zähnen 11 und 21 sowie ein XiVE Implantat D 3,8 mit 13 mm Länge als Ersatz für den Zahn 22 inseriert (Abb. 10). Um ausreichend Hartgewebe auf der Implantatschulter auch zwischen den Implantaten zu gewährleisten, wurden anstelle von Verschlussschrauben Gingivaformer in den Implantaten in den Regionen 12 bis 21 fixiert. Die geführte Knochenregeneration im Bereich dieser Implantate führten wir wiederum mit allogenem Knochen (FDBA) durch und deckten den Bereich anschließend mit einer resorbierbaren Kollagenmembran ab (Abb. 11). Nach der Periostschlitzung erfolgte ein spannungsfreier primärer Wundverschluss. Das periapikale Röntgenbild zeigte ein vermehrtes Gewebevolumen um das Implantat (Abb. 12).

  • Abb. 10: Der regenerierte Knochen gewährleistet eine primärstabile Insertion.
  • Abb. 11: Eine weitere Knochenrekonstruktion ist notwendig, um so ein optimiertes Gewebevolumen und eine bessere Weichgewebekontur zu erreichen.
  • Abb. 10: Der regenerierte Knochen gewährleistet eine primärstabile Insertion.
  • Abb. 11: Eine weitere Knochenrekonstruktion ist notwendig, um so ein optimiertes Gewebevolumen und eine bessere Weichgewebekontur zu erreichen.

  • Abb. 12: Röntgenaufnahme nach dem Hartgewebemanagement und der Implantatinsertion
  • Abb. 12: Röntgenaufnahme nach dem Hartgewebemanagement und der Implantatinsertion

Implantatfreilegung und -versorgung

Weitere sechs Monate später wurden die Implantate freigelegt und eine Abformung vorgenommen. Eine provisorische Suprastruktur wurde angefertigt, nicht nur, um die Funktion wiederherzustellen, sondern auch, um einen neuen zervikalen Verlauf und interdentale Papillen zu induzieren. Nach der Anpassung der subgingivalen Kontur war für einige Zeit noch ein dunkles Dreieck mit einem Weichgewebsdefekt zwischen den Implantaten im Bereich 21 und 22 erkennbar (Abb. 13). Um das Volumen des dortigen Bindegewebes zu vergrößern, wurde interimplantär ein Bindegewebstransplantat geplant.

  • Abb. 13: Zwischen den Implantaten in der Region 21 und 22 war weiterhin ein dunkles Dreieck sichtbar.
  • Abb. 14: Die provisorische Krone in Region 22 wurde angepasst, um Platz für ein Bindegewebstransplantat zu schaffen.
  • Abb. 13: Zwischen den Implantaten in der Region 21 und 22 war weiterhin ein dunkles Dreieck sichtbar.
  • Abb. 14: Die provisorische Krone in Region 22 wurde angepasst, um Platz für ein Bindegewebstransplantat zu schaffen.

  • Abb. 15: Das Bindegewebstransplantat wurde eingebracht, um mehr Gewebevolumen im Bereich 21 bis 22 zu erzielen.
  • Abb. 15: Das Bindegewebstransplantat wurde eingebracht, um mehr Gewebevolumen im Bereich 21 bis 22 zu erzielen.

Die provisorische Krone wurde so angepasst, dass genügend Platz für das transplantierte Gewebe vorhanden war und um das Transplantat zu stabilisieren (Abb. 14). Das aus der Tuberregion des Oberkiefers entnommene Bindegewebe wurde in der Tasche, die auf der bukkalen Seite der Implantate im Bereich 21 bis 22 gebildet wurde, sowie zwischen den beiden Implantaten vernäht (Abb. 15).

Nachdem sich der Weichgewebsverlauf stabilisiert hatte, wurde die endgültige Suprastruktur so generiert, dass sie auf die provisorische Restauration abgestimmt und mithilfe des Friktionsretentionssystems (nach Dr. Enomoto und Dr. Sugiyama, Niigata, Japan) fixiert wurde (Abb. 16 bis 18). Mit dieser Technik konnten wir das Emergenzprofil ausgehend der Implantatplattform gestalten, ohne dass es zu einer Zementretention kam oder man eine Öffnung für die Schraube benötigte.

  • Abb. 16: Definitive Versorgung in situ.
  • Abb. 17 a und b: Okklusionsansicht des Endresultats im Vergleich zur Situation nach Zahnextraktion
  • Abb. 16: Definitive Versorgung in situ.
  • Abb. 17 a und b: Okklusionsansicht des Endresultats im Vergleich zur Situation nach Zahnextraktion

  • Abb. 18: Röntgenaufnahme der finalen Situation.
  • Abb. 18: Röntgenaufnahme der finalen Situation.

Diskussion

Zahnverlust betrifft nicht nur den Zahn selbst, sondern führt auch zum Abbau der umgebenden Gewebe. Wird der Gewebedefekt nicht behoben, kann dies die Implantatposition sowie das ästhetische Resultat der Implantatversorgung, die periimplantären Strukturen sowie die Mundhygiene beeinträchtigen. Mithilfe der Hart- und Weichgewebemanagement-Techniken können wir versuchen Hartgewebevolumen zurückzugewinnen und für bessere Weichgewebebedingungen um das Implantat herum zu sorgen. Wenn sich diese Bedingungen kontrollieren lassen, können wir nicht nur eine bessere Grundlage für eine ästhetische Implantatrestauration schaffen, sondern auch eine bessere biologische Umgebung, mit langfristig stabilem periimplantärem Weichgewebe. Darüber hinaus lässt sich bei einem Implantatsystem wie XiVE – mit optimalen Oberflächeneigenschaften und Plattformdesign – über die Jahre ein konstantes Knochenniveau beobachten. Das XiVE Implantat ermöglicht die Verwendung eines Aufbaus mit kleinerem Durchmesser, um so die Wirkung des Platform Switching zu verstärken. Im vorliegenden Fall wurde ein 3,8 mm Abutment in ein Implantat des Durchmessers 4,5 mm inseriert. Dies hat die Stabilität des periimplantären Knochens in der Region 11 und 21 möglicherweise unterstützt.

Wir haben festgestellt, dass, selbst wenn der Knochen mit einer GBR-Technik regeneriert wird, das Knochenniveau und die erreichte Knochenapposition stabil bleiben (Abb. 19a bis d). Der entsprechende Standard-Gingivaformer mit einer Höhe von etwa drei Millimetern kann zur Retention der Membran sowie zur Ausfüllung des Raums zwischen zwei Implantaten und um den Implantathals herum eingesetzt werden. Mithilfe dieser Technik, die auch von Dr. Sugiyama vorgeschlagen wurde, können wir das Augmentat stabil halten und sogar die GBR-Umgebung verbessern.

  • Abb. 19a: Ein weiterer Fall von starker Kieferkammatrophie verursacht durch entzündliche Veränderungen des Zahnhalteapparats und Überbelastung. Die Zähne 13 bis 14 wurden durch XiVE Implantate ersetzt.
  • Abb. 19b: Kontrolle der Situation in Abb. 19a nach Implantattherapie nach über zwei Jahren.
  • Abb. 19a: Ein weiterer Fall von starker Kieferkammatrophie verursacht durch entzündliche Veränderungen des Zahnhalteapparats und Überbelastung. Die Zähne 13 bis 14 wurden durch XiVE Implantate ersetzt.
  • Abb. 19b: Kontrolle der Situation in Abb. 19a nach Implantattherapie nach über zwei Jahren.

  • Abb. 19c: Zahnfilm vor Implantatinsertion und Gewebemanagement ...
  • Abb. 19d: ... und der Situation nach 29 Monaten: Der krestale Knochen bleibt auch unter funktioneller Belastung stabil und sorgt für eine solide Basis für das periimplantäre Weichgewebe.
  • Abb. 19c: Zahnfilm vor Implantatinsertion und Gewebemanagement ...
  • Abb. 19d: ... und der Situation nach 29 Monaten: Der krestale Knochen bleibt auch unter funktioneller Belastung stabil und sorgt für eine solide Basis für das periimplantäre Weichgewebe.

Der primäre und spannungsfreie Wundverschluss des Operationsfelds mittels Entlastungsschnitt ist ebenfalls ein äußerst wichtiger Aspekt beim Erzielen einer erfolgreichen Augmentation. Mit diesen Techniken können wir ein optimales Knochenvolumen für eine bessere Implantatposition, -tiefe und -angulation generieren sowie ein adäquates Gewebe zur Unterstützung der Gingivastruktur – beide Aspekte tragen zu einem besseren klinischen Ergebnis bei.  


Weitere Informationen:

Literatur auf Anfrage beim Verfasser.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Li Ming-Ko

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Li Ming-Ko