Veröffentlichung „anonymisierter“ Röntgenbilder

Ob im Rahmen der Praxishomepage, von Vorträgen oder Fachbeiträgen, es gibt zahlreiche Gelegenheiten zahnmedizinische Kompetenz mit entsprechendem Bildmaterial zu veranschaulichen. Neben klassischen Bildaufnahmen in Form von Gesichtsfotos, für deren Veröffentlichung unzweifelhaft die Einwilligung des betroffenen Patienten vorliegen muss, kommen aber auch insbesondere Röntgenaufnahmen ohne Angabe des Patienten in Betracht. Wie die Veröffentlichung „anonymisierter“ Röntgenbilder in rechtlicher Hinsicht zu bewerten ist, sollen die folgenden Ausführungen erläutern.
Auch wenn der Patient bzw. dessen Krankenkasse die Röntgenaufnahmen bezahlt, stehen diese einzig im Eigentum des anfertigenden Zahnarztes. Dies folgt zum einen daraus, dass das zivilrechtliche Eigentum aufgrund des sogenannten „Abstraktionsprinzips“ losgelöst von der Zahlung für eine Leistung zu sehen ist. Zum anderen erfolgt die Tätigkeit des Zahnarztes gegenüber einem Patient auf Basis eines Behandlungsvertrages, dessen Inhalt sich auf die Erbringung zahnmedizinischer Leistungen bezieht. Die Herstellung der Röntgenaufnahmen dient dabei lediglich als diagnostische Grundlage (vgl. LG Aachen, Urteil vom 16. Oktober 1985, Az. 7 S 90/85), womit sich die Zahlungspflicht im Ergebnis auch nicht auf die Anfertigung des Bildmaterials, sondern auf die zahnärztliche Diagnose als Leistung des Behandlers bezieht.
Vervielfältigung und Veröffentlichung
Mit Herstellung eines Röntgenbildes wird der anfertigende Zahnarzt nicht nur Eigentümer der Aufnahme, sondern ist zugleich auch ihr Urheber. Dabei werden Röntgenaufnahmen grundsätzlich als Lichtbilder [1] vom sogenannten Leistungsschutz erfasst, welcher sich auch auf die Nutzung, d. h. vor allem die Vervielfältigung sowie Veröffentlichung dieser Aufnahmen bezieht. Zu nennen sind hier insbesondere folgende Vorschriften:
§ 72 UrhG Lichtbilder
(1) Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.
(2) Das Recht nach Absatz 1 steht dem Lichtbildner zu.
(3) Das Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.
§ 12 UrhG Veröffentlichungen
(1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.
(2) Dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist.
§ 16 UrhG Vervielfältigungen
(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.
(2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt.
Dieser urheberrechtliche Lichtbildschutz gilt allerdings nicht unbeschränkt. Begrenzt wird dieser vornehmlich durch das Recht des Patienten am eigenen Bild und seinem damit verbundenen informationellen Selbstbestimmungsrecht. Hinzu kommen datenschutzrechtliche Aspekte.
Das Recht am eigenen Bild
Das Recht am eigenen Bild ist ausweislich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Grundgesetz (vgl. BverfG, Urteil vom 15.12.1999, Az. 1 BvR 653/96). Es findet seine Rechtsgrundlage in § 22 Kunsturhebergesetz (KUG), welcher vorsieht, dass Bildnisse lediglich mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen.
Nach gefestigter Rechtsprechung setzt der in § 22 KUG verwendete Begriff des „Bildnisses“ dabei voraus, dass die abgebildete Person erkennbar ist, d. h. er verlangt die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (vgl. BGH, Urteil vom 1.12.1999; Az. I ZR 49/97; LG Frankfurt/ Main, Urteil vom 25.06.2009, Az. 2-03 O 179/09AG München, Urteil vom 19.08.2009, Az. 161 C 3130/09). In Bezug auf den Aspekt der „Erkennbarkeit“ legt die Rechtsprechung zugunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen allerdings sehr geringe Maßstäbe an. So führt beispielsweise das OLG Zweibrücken in seinem Beschluss vom 07.06.2010 (Az. 4 W 53/10) aus:
„Hierzu genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder (etwa durch Retuschen) gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann.“
Ferner hat auch das das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 09.02.2010 (Az. I – 20 U 151/09) festgestellt:
„Der Bildnisbegriff setzt die Erkennbarkeit der abgebildeten Person voraus, wobei es als ausreichend angesehen wird, dass die Erkennbarkeit für einen mehr oder weniger großen Bekanntenkreis besteht, da andernfalls nur Prominente, deren Bildnis bekannt genug ist, geschützt wären (…) Im vorliegenden Fall besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Erkennbarkeit der Antragstellerin.“
Rückschlussmöglichkeit ausreichend
Entscheidend für die Erkennbarkeit des Betroffenen ist also stets, ob eine Rückschlussmöglichkeit auf seine Person aufgrund bestimmter, ihn charakterisierender Merkmale besteht, wobei nicht erforderlich ist, dass dieser faktisch von anderen Personen erkannt wurde. Vielmehr ist das Recht am eigenen Bild schon dann verletzt, wenn die abgebildete Person begründeten Anlass zu der Befürchtung hat, sie könnte von einem Dritten identifiziert werden (vgl. insoweit auch LG Frankfurt/ Main, Urteil vom 19.01.2006, Az. 2/03 O 468/05).
Da das Merkmal der „Erkennbarkeit“ damit insbesondere auch durch die subjektive Wahrnehmung der abgebildeten Person geprägt wird, gilt es selbst im Falle eines „anonymisierten“ Röntgenbildes genau zu prüfen, ob dieses auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür bietet, dass ein Patient Rückschlüsse auf seine Person für denkbar hält. So mag die Veröffentlichung einer Röntgenaufnahme eines einzelnen Zahnes wohl durchaus anders zu beurteilen sein als beispielsweise die Darstellung des gesamten Unterkiefers. Trotz alledem sollte im Falle eines Veröffentlichungswunsches aus Gründen der Rechtssicherheit im Zweifel immer die Einwilligung des Patienten eingeholt werden.
Verstoß gegen das Datenschutzrecht?
Gemäß § 3 Abs. 9 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) handelt es sich bei personenbezogenen Daten über den Gesundheitszustand um sogenannte „besondere Arten personenbezogener Daten“. Ihre Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ist dabei zulässig, sofern das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat (§ 4 Abs. 1 BDSG).
Im Falle der Herstellung einer Röntgenaufnahme werden die Merkmale des Erhebens, Verarbeitens und Nutzens von Gesundheitsdaten wohl ohne Frage erfüllt. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit ergibt sich für die Zahnarztpraxis insoweit aus § 28 Abs. 7 BDSG, welcher vorsieht, dass das Erheben von besonderen Arten personenbezogener Daten zulässig ist, wenn dies zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsversorgung oder Behandlung oder für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten erforderlich ist und die Verarbeitung dieser Daten durch ärztliches Personal oder durch sonstige Personen erfolgt, die einer entsprechenden Geheimhaltungspflicht unterliegen. Eine darüber hinausgehende Legitimation zur Nutzung der Röntgenaufnahmen im Rahmen von Vorträgen oder Fachbeiträgen wird damit nicht eingeräumt. Einzig § 28 Abs. 8 i.V.m. Abs. 6 Nr. 4 BDSG ermöglicht eine Nutzung von Gesundheitsdaten, sofern dies zur Durchführung wissenschaftlicher Forschung erforderlich ist, das wissenschaftliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens das Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung erheblich überwiegt und der Zweck der Forschung auf andere Weise nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden kann. Mithin handelt es sich unter Berücksichtigung der besonderen Schutzwürdigkeit der Patientendaten folglich um eine Ausnahmebestimmung, welche äußerst restriktiv zu handhaben ist und die eine Nutzung jeglicher Patientendaten, also auch Röntgenbilder, zur bloßen Veranschaulichung der zahnärztlichen Tätigkeit keinesfalls stützt.
Entscheidendes Merkmal: Personenbezug
Aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten bedarf die Veröffentlichung einer Röntgenaufnahme eines Patienten dennoch nicht in jedem Fall dessen Einwilligung. Der Anwendungsbereich des BDSG ist nämlich dann nicht eröffnet, wenn das Merkmal des Personenbezugs entfällt, d. h. die Daten nicht mit dem Namen des Betroffenen verbunden sind oder sich aus dem Inhalt bzw. dem Zusammenhang der Bezug unmittelbar herstellen lässt. Dies ist grundsätzlich anzunehmen, wenn es sich um anonymisierte oder pseudonymisierte Daten handelt.
Der Begriff des Anonymisierens wird in § 3 Abs. 6 BDSG definiert. Demnach unterfallen solche Daten mangels Personenbezug nicht den Bestimmungen des BDSG, welche sich nicht mehr oder nur noch mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft auf eine bestimmte Person beziehen bzw. eine solche erkennen lassen. Ebenso scheidet eine Anwendung des BDSG im Falle pseudonymisierter Daten aus, d.h., bei denen der Namen oder andere Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen ersetzt sind, um die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder mindestens wesentlich zu erschweren (§ 3 Abs. 6a BDSG). Auf Grund des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Zahnarzt und Patient erscheint es aber dennoch geboten den Patienten über eine etwaige Veröffentlichung zu informieren sowie zur Vorbeugung möglicher rechtlicher Diskussionen ein schriftliches Einverständnis anzustreben. Dies gilt umso mehr, da ein solches bedingt durch die vorangegangenen Ausführungen zum Recht am eigenen Bild im Zweifel ohnehin notwendig ist.
Rechtsfolgen
Werden Röntgenaufnahmen ohne Einverständnis des Patienten veröffentlicht, so besteht für diesen auf Grundlage des Rechts am eigenen Bild im Falle einer Rückschlussmöglichkeit auf seine Person ein Unterlassungs- und auch Schadensersatzanspruch. Darüber hinaus hat er einen Anspruch auf Vernichtung der veröffentlichen Bilder. Zudem kann derjenige, der entgegen den §§ 22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. In datenschutzrechtlicher Hinsicht gilt es zu beachten, dass, sofern ein Personenbezug i. S. d. BDSG mittels entsprechender Datenbearbeitung ausgeschlossen wird, Rechtsfolgen aufgrund eines datenschutzrechtlichen Verstoßes selbstverständlich ausscheiden. Wird dies hingegen nicht gewährleistet und hat der Patient sich nicht damit einverstanden erklärt, dass eine Röntgenaufnahme außerhalb der Gesundheitsvorsorge und zur medizinischen Diagnostik verwendet wird, so liegt ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht vor, welcher gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert werden kann. Zudem sind disziplinarrechtliche Konsequenzen aufgrund einer Verletzung berufsrechtlicher Pflichten möglich sowie auf Grundlage des BDSG die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße.
Fazit
Keine Frage, zahlreiche zahnmedizinische Sachverhalte lassen sich anhand von Röntgenaufnahmen im Rahmen von Vorträgen oder Veröffentlichungen anschaulich und nicht zuletzt auch äußerst verständlich erörtern. Zudem hinterlässt eine visuelle Darstellung bei den meisten Betrachtern einen intensiveren Eindruck als bloße Worte oder Text, so dass ein Verzicht auf eine solche kaum denkbar ist. Ein solcher ist aber auch keineswegs notwendig, sofern die Vorschriften des KUG und BDSG entsprechend beachtet werden. Im Sinne einer größtmöglichen Rechtssicherheit empfiehlt es sich dabei, einen Patienten von vorneherein bei jeglichem Veröffentlichungswunsch einzubeziehen.