Das MIMI II-Verfahren bei schmalen Kieferkämmen von Dr. Ernst Fuchs-Schaller
Seit vielen Jahren wird das minimal-invasive Insertionsprotokoll „MIMI I“ erfolgreich eingesetzt. Wissenschaftliche Studien belegen eindrucksvoll den Erfolg dieses Verfahrens ohne Bildung eines Mukoperiostlappens, der auch empirisch bestätigt wird. Für Insertionen bei schmalen Kieferkämmen greift die Mehrzahl der Chirurgen aber auf klassische Augmentations- und modifizierte GBR-Techniken mit körpereigenem (Knochen oder Zahnblöcken), alloplastischem oder bovinem Material zurück. Dieser Artikel zeigt einen alternativen, minimal-invasiven Weg auf, Implantate auch bei extrem schmalen Kieferkämmen zu setzen, die MIMI II-Technik, die von jedem Zahnarzt mit einfachem Instrumentarium und nachhaltigem, bleibendem Erfolg ohne Resorption durchgeführt werden kann.
Ehre, wem Ehre gebührt, denn dieses geniale Verfahren wurde 1997 von meinem Freund und Kollegen Dr. Ernst Fuchs-Schaller (†2016) publiziert. Immer mehr Patienten entscheiden sich nach guter Aufklärung zugunsten einer atraumatischen Chirurgie, das heißt einer minimal-invasiven Methodik, die ohne Bildung eines Mukoperiostlappens erfolgt (Abb. 3).
Der autogene, ortsständige Knochen gilt noch immer als der Goldstandard der zahnärztliche Chirurgie, trotz der intensiven Bemühungen von Weiterentwicklungen allogener oder alloplastischer Materialien und diverser GBR-Techniken. Doch meiner Meinung nach spricht vieles dafür, dass Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit – gerade in der Langzeitprognose – ausbleibt! Das hat vielfach mit guter Knochen- Ernährung zu tun, die fast ausschließlich über das intakte Periost, der Knochenhaut, erfolgt. Ein spongiöser, kondensierter bzw. verdichteter und gedehnter, gespreizter oder gar gesplitteter Defekt allerdings, der ringsherum mit Knochen inklusive des intakten Periosts umgeben ist, unterläuft der schnellstmöglichen und natürlichen Knochenregeneration.
Nach aktuellem Stand soll man nach Extraktionen einen Verlust von Weich- und Hartgewebe vermeiden: Bei allgemeinen Defekten, Socket Preservation (direkt nach Zahnextraktion zum Erhalt des gesamten Volumens von Weich- und Hartgewebe) aber auch bei Sinusbodenelevationen (z. B. interner, direkter Sinuslift nach minimal-invasiver Vorgehensweise) oder lateralen Augmentationen (u. a. Schalen-Khoury-Technik) setzt sich die Gewinnung von autologem Knochenersatzmaterial aus den extrahierten Zähnen des Patienten nach dem Smart Grinder-Protokoll (Vertrieb: Champions-Implants GmbH) mehr und mehr durch (Abb. 2).
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Abb. 1: Volumenveränderung des Alveolarfortsatzes nach Extraktion
© Dr. Armin Nedjat -
Abb. 2: Wird ein Zahn extrahiert, kann dieser nach dem Smart Grinder-Protokoll zu Knochenersatzmaterial aufbereitet und dadurch z. B. für eine Socket Preservation verwendet werden. Die Gesamtkosten für den Patienten betragen ca. 160 Euro, davon 100 Euro zahnärztliches Honorar.
© Dr. Armin Nedjat
Die extrahierten Zähne des jeweiligen Patienten werden mechanisch von Fremdstoffen befreit, zermahlen (engl.: grind), chemisch 5 Minuten ‚chairside’ gereinigt (pH 11,4) und anschließend wieder auf den pH Wert 7,1 zurückgepuffert. Autologes Zahnmaterial als Knochenersatzmaterial hat gegenüber patienteneigenem Knochen den Vorteil, dass es mehr Knochen-Wachstums-Faktoren (BMPs) als der Knochen selbst besitzt und keiner so schnellen Resorption wie Knochen unterliegt. Ein weiteres Argument ist, dass man kein zweites OP-Feld (z. B. Entnahmestelle vom aufsteigenden Unterkiefer-Ast oder interforaminal) benötigt.
Wenn „das Kind jedoch bereits in den Brunnen gefallen ist“, d. h. der Patienten-Alveolarfortsatz nach einer Extraktion ohne Socket Preservation resorbiert ist, kann der schmale Kiefer durch eine horizontale Distraktion nach dem MIMI II-Protokoll verbreitert werden.
Dr. Ernst Fuchs-Schaller hat das Angle-Modulation-Prinzip 1997 entwickelt. Mit atraumatisch eingesetzten Instrumenten erfolgt eine minimal-invasive horizontale (und auch zum Teil vertikale) Kieferkammverbreiterung bzw. Erhöhung. Hierfür wird die kortikale Lamelle von innen flexibel gestaltet, aufgespreizt und kondensiert, wobei zusätzlich eine wertvolle Höhe für eine geplante lmplantatinsertion gewonnen wird. Es gelingt durch die axiale Verschiebung der mobilisierten kortikalen Platten nach bucco-lateral. Der entscheidende Vorteil: Durch das atraumatische Vorgehen wird das Aufklappen mit Mukoperiost-Lappenbildung vermieden, die die Ernährung des Knochens signifikant einschränken würde. Periost und Mukosa werden nicht abgelöst und der „Biologisch aktive Container” (mindestens zweiwandig!) bleibt erhalten.
Chirurgie
Ein steriler, grober, schmaler Diamant an einer Turbine mit Wasserkühlung wird von lingual und palatinal (!!) ca. 1,5 mm des schmalen Kieferkamms kommend, eingesetzt, um eine Inzision durch die Gingiva und Kompakta möglichst von Papille zu Papille oder – bei Freiendsituationen ausreichend lang – gestalten zu können. Das einzige Ziel ist hierbei, in die Spongiosa des schmalen Kieferknochens zu gelangen. Die Verifizierung erfolgt mittels flexibler Sonde (KKK: Knochen-Kavitäten-Kontrolle) (Abb. 4). Sobald die spongiöse Knochenstruktur erreicht wird, wird mit niedertourig drehendem (ca. 50 U/Min) konischem Dreikantbohrer in die Tiefe gearbeitet. Mit Rotationsbewegungen mit einem Winkelmodulator werden die drei Schichten – bukkale Knochenlamelle, intaktes Periost und die befestigte Gingiva – nach bukkal mobilisiert (Abb. 5 und 6) und quasi „unter direkter Knochensicht“ die Implantate (Champions (R)Evolutions, ø 5 mm) mit 30 Ncm Primärstabilität inseriert (Abb. 7). Bukkal liegt die befestigte Gingiva nun ca. 1 mm höher als lingual. Laterale Scherkräfte (etwa von der Zunge) können keine Mikrobewegungen ausführen. Den Knochenspalt kann man mit Knochenersatzmaterial auffüllen und die Wunde spannungsfrei vernähen. Nach drei Monaten wird die Abformung digital oder konventionell durchgeführt und die Kronen mit Abutments fixiert, ohne zweite OP bzw. Wiedereröffnung der Gingiva.
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Abb. 4: Ein steriler, grober, schmaler Diamant an einer Turbine mit Wasserkühlung wird von lingual und palatinal etwa 1,5 mm des schmalen Kieferkamms kommend eingesetzt.
© Dr. Armin Nedjat -
Abb. 5 und 6: Sobald die spongiöse Knochenstruktur erreicht wird, wird mit niedertourig drehendem konischem Dreikantbohrer in die Tiefe gearbeitet.
© Dr. Armin Nedjat
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Abb. 7: Unter direkter Knochensicht werden die Implantate mit 30 Ncm Primärstabilität inseriert. Bukkal liegt die befestigte Gingiva nun ca. 1 mm höher als lingual.
© Dr. Armin Nedjat
Immer wieder faszinierend für uns Behandler ist, dass das Procedere für den Patienten als völlig „unblutig“ empfunden wird, hervorgerufen durch die Mikrokoagulation der Turbine. Auch empfinden die Patienten das Geräusch der Turbine und das Vorgehen „als gewohnt“ und nicht unangenehm, wie oftmals eine Piezo-Surgery.
Fazit
Das MIMI II-Verfahren nach Dr. Ernst Fuchs-Schaller ist eine einfach zu erlernende, logische und erfolgreiche Operationsmethode, die im Gegensatz zu lateralen Knochen-/Blockaugmentationen ohne Mukoperiostlappenbildungen auskommt und für den Patienten schonend-sanft durch jeden chirurgisch arbeitenden Zahnarzt durchgeführt werden kann. Die Knochenernährung über das intakte Periost wird nicht eingeschränkt. Dadurch werden Resorptionen auch langfristig nicht beobachtet und das Weichgewebe („Befestigte Gingiva“ und „Biologische Breite“) wird auf fantastische Weise – mit der Natur über den „Bioaktiven Container“ – gebildet und bleiben ebenso wie das Knochen-Hartgewebe nachhaltig erhalten. Seit 15 Jahren werden so Operationskomplikationen und -risiken minimiert, dabei sind die langfristigen Ergebnisse stabil. Um erst gar keinen Knochen- und Weichgewebsabbau zu erhalten, wird als „Socket Preservation“ gleich im Anschluss einer Zahnextraktion das per Smart Grinder-Verfahren gewonnene autologe Zahnmaterial dem Patienten wieder zurückgeführt.