Mini-Implantate zur Stabilisierung von Teilprothesen

Prothesen werden auch heute noch von vielen als ästhetisch zufriedenstellende, kostengünstige, aber in Sachen Tragekomfort und Funktionalität häufig mit Einschränkungen verbundene Versorgungsmöglichkeit angesehen. Dies mag daran liegen, dass die bei ungünstiger Restzahnverteilung wünschenswerte zusätzliche Abstützung durch konventionelle Implantate bei einer Vielzahl von Patienten aus finanziellen, medizinischen oder anatomischen Gründen nicht indiziert ist. Dank der inzwischen klinisch bewährten Mini-Implantate ist es jedoch möglich, eine viel größere Anzahl an Patienten schnell und kostengünstig mit einer funktionierenden Lösung für einen sicheren Prothesenhalt zu versorgen.
Mit Mini-Implantaten, zu denen die MDI Mini-Dental-Implantate von 3M ESPE zählen, lassen sich sowohl Total- als auch Teilprothesen verankern. Dazu werden die einteiligen Implantate mit Kugelkopf und einem Durchmesser von weniger als 3 mm (MDI sind in den Durchmessern 1,8 - 2,1 - 2,4 und 2,9 mm verfügbar) in einem wenig belastenden chirurgischen Verfahren in den Kieferknochen inseriert. Bei Totalprothesen sind im Unterkiefer mindestens vier, im Oberkiefer mindestens sechs Implantate erforderlich. Da im Oberkiefer eine geringere Knochendichte vorhanden ist, werden dort MDI Mini-Dental-Implantate mit einem Durchmesser von 2,4 bzw. 2,9 mm und aggressivem Gewindedesign eingesetzt, während im Unterkiefer entsprechend der besseren Knochenqualität MDI mit Durchmesser 1,8 oder 2,1 mm und feinerem Gewinde verwendet werden. Die Position der Implantate orientiert sich am Knochenangebot und der Lage wichtiger anatomischer Strukturen. Zum Einsatz der MDI in dieser Indikation sind eine Reihe klinischer Studien verfügbar. In jüngster Zeit finden sich immer mehr Publikationen zu diesem Thema.
MDI zur Pfeilervermehrung bei Teilprothesen
Bei Teilprothesenträgern haben Mini-Implantate eine ähnliche Funktion wie bei Personen mit Totalprothesen. Durch das Einbringen von Mini-Implantaten in strategischen Positionen wird aber nicht nur der Prothesenhalt verbessert. Die Beweglichkeit der Prothese wird durch die verbesserte Lagerung minimiert und die Belastung der natürlichen Pfeilerzähne vermindert. Dadurch lässt sich das Risiko eines frühzeitigen Zahnverlusts reduzieren. Hinsichtlich der Bestimmung der Anzahl und Position von Mini-Implantaten zur Verankerung von Teilprothesen sind mehr Faktoren zu beachten als bei der Stabilisierung von Totalprothesen: Der Restzahnbestand muss bei der Planung mit einbezogen werden. Generell gilt dabei, dass die Wahrscheinlichkeit, einen langfristigen Erfolg zu erzielen, mit der Anzahl an Pfeilern – sowohl natürlicher Zähne als auch Implantate – steigt. Bislang fehlte es jedoch an Richtlinien, wie viele Implantate in welchen Situationen erforderlich sind und in welchen Positionen sie gesetzt werden sollten. Dies liegt nicht zuletzt an der Vielzahl möglicher Ausgangssituationen der Restbezahnung – pro Kiefer gibt es über 65.000 Varianten!
Um dieser Komplexität strukturiert zu begegnen und Anwendern eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, wurde von 3M ESPE in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe erfahrener MDI-Anwender und der Universität Greifswald ein Planungsschema für MDI entwickelt. Abhängig von der Anzahl, Position und Wertigkeit der verbleibenden Zähne wird eine Empfehlung für die Planung sogenannter strategischer und optionaler Implantate pro Quadrant gegeben (Abb. 1 und 2). Strategische Implantate verfolgen das in der Planung vorrangige Ziel einer quadrangulären Abstützung und stellen somit die geforderte Mindestanzahl an Implantaten dar. Optionale Implantate können je nach Einzelfall zusätzlich gesetzt werden, um potenzielle Schwachstellen auszugleichen und die Stabilität zu erhöhen. Anhand des Planungsschemas erfolgt pro Kiefer eine Unterteilung in sechs Klassen (Klasse 0 bis 5), aus welchen sich anschließend die erforderliche Anzahl und Position der Implantate ableitet. Dabei wird davon ausgegangen, dass Schneidezähne in beiden Kiefern die geringste Wertigkeit haben – wird eine Prothese ausschließlich auf ihnen stabilisiert, so treten in der Regel die stärksten Probleme auf. Es müssen dementsprechend gleich viele Implantate gesetzt werden wie im zahnlosen Fall (Klassen 0 und 1). Eine höhere Wertigkeit haben Zähne ab Position 4 (Prämolaren und Molaren), sodass weniger strategische Implantate erforderlich sind (Klassen 2 und 3). Die günstigste Situation tritt jedoch ein, wenn der Eckzahn vorhanden ist. In diesem Fall sind keine strategischen Implantate erforderlich (Klassen 4 und 5). Gegebenenfalls notwendige optionale Implantate sind in allen Klassen fallabhängig individuell zu planen, u.a. in Abhängigkeit von der parodontalen, endodontischen und prothetischen Wertigkeit der Restzähne. Auf Basis dieses Schemas werden auch in meiner Praxis Mini-Dental-Implantate inseriert, um Teilprothesen zu stabilisieren – mit großem Erfolg.
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Abb. 1: Planungsschema für die strategische Pfeilervermehrung bei Teilprothesen im Unterkiefer …
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Abb. 2: … sowie im Oberkiefer.
Die folgenden Fallbeispiele zeigen die chirurgische bzw. prothetische Vorgehensweise beim Einsatz von MDI.
Fallbeispiel 1
Die Patientin stellte sich im Februar 2011 in der Praxis vor. Die Zähne 33 und 34 wurden als nicht erhaltungswürdig eingestuft und alio loco entfernt. Gewünscht war die Stabilisierung der Teilprothese mittels Mini-Implantaten, um die Pfeilerzähne im 4. Quadranten zu entlasten und im zahnlosen 3. Quadranten eine zusätzliche Abstützung und einen guten Prothesenhalt zu erzielen. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Ausgangssituation mit den erhaltungswürdigen, mit Teleskopkronen versorgten Zähnen 43 und 44. Auf der Röntgenaufnahme sind die Extraktionsalveolen im 3. Quadranten noch deutlich erkennbar.
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Abb. 3: Ausgangssituation.
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Abb. 4: Röntgenaufnahme der Ausgangssituation: Die Extraktionsalveolen sind sichtbar.
Da im 4. Quadranten der Eckzahn sowie ein Zahn ab Position 4 vorhanden waren, wurde der Fall der Klasse 5 nach dem MDI-Planungsschema zugeordnet. Ein Mini-Implantat ist in diesem Quadranten somit nicht obligatorisch, kann aber optional beispielsweise im Frontzahnbereich positioniert werden, um die Stabilität zu erhöhen. Im Nachbarquadranten ergab sich nach Entfernung der Zähne 33 und 34 eine Klasse 0, wodurch zwei MDI erforderlich waren. Da die Implantation sechs Wochen nach Zahnextraktion erfolgte, konnte im Bereich der noch vorhandenen Alveole in der strategisch optimalen Position von 33 nicht implantiert werden. In regio 34 war die Restalveole nur wenige Millimeter tief, sodass hier ein MDI mit Durchmesser 2,4 und Länge 13 mm inseriert werden konnte. Das zweite strategische Implantat in diesem Quadranten wurde in regio 35 gesetzt. Normalerweise werden MDI im interforaminären Bereich positioniert. Davon wurde in diesem Fall aufgrund des ausreichend vorhandenen vertikalen Knochenangebots abgewichen. Eine Verletzung des Nervus mentalis konnte dabei dank dessen vestibulärer Position sowie einer ausreichenden Kieferkammbreite ausgeschlossen werden. Da die Knochendichte im retroforaminalen Bereich geringer ist als im Frontzahngebiet, konnte mit einem MDI Durchmesser 2,4 und Länge 13 eine optimale Primärstabilität erzielt werden. Zur weiteren Reduzierung der Kippmomente wurde zudem in regio 31 ein optionales Implantat gesetzt.
Nach Markierung der gewünschten Positionen auf der Schleimhaut erfolgte die Pilotbohrung für das erste Mini-Implantat mit einem schmalen Bohrer (1,1 mm Durchmesser). Die Bohrtiefe betrug dabei gemäß dem vorgegebenen Protokoll lediglich die Hälfte bis ein Drittel der Implantatlänge. So wird die korrekte Positionierung des Implantats sichergestellt, während durch das selbstschneidende Gewindedesign eine Kompression und Kondensation des umliegenden Knochens hervorgerufen wird, die zur primären Stabilität des Implantats beiträgt. Das Implantat wurde eingedreht und die nächste Bohrung vorgenommen. Laut Protokoll erfolgte die Insertion des Implantates mit Initialschraubendreher, Flügelschrauber und Ratsche (Abb. 5 und 6). Abbildung 7 zeigt den Einsatz des Pilotbohrers bei der Aufbereitung des Implantatbetts für die Insertion des dritten Implantates. Es empfiehlt sich, die Mini-Implantate im Unterkieferfrontzahnbereich mit dem Kugelkopf leicht nach lingual anguliert einzubringen.
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Abb. 5: Insertion des zweiten Implantates in die Alveole in regio 34 mit einem Flügelschrauber.
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Abb. 6: Einsatz der Drehmomentratsche.
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Abb. 7: Pilotbohrung für die Insertion des dritten Implantates.
Nachdem alle MDI an der gewünschten Stelle inseriert waren (Abb. 8 und 9), wurde die Prothese entsprechend umgearbeitet. Die Vorgehensweise wird anhand des nächsten Patientenfalls detailliert beschrieben.
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Abb. 8: Situation direkt nach Implantation.
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Abb. 9: Kontroll-Röntgenbild nach Implantatinsertion.
Fallbeispiel 2
Bei dieser Patientin mit ursprünglich drei verbleibenden Zähnen im Unterkiefer (Abb. 10) wurden im Februar 2012 die Zähne 33 und 44 entfernt und gleichzeitig vier Mini-Dental-Implantate inseriert. Der Eckzahn im 4. Quadranten war der einzig verbleibende Pfeilerzahn, sodass der Fall der Klasse 4 des Planungsschemas entsprach. Zur Reduzierung der Kippmomente und Entlastung des Pfeilerzahnes wurden zwei optionale Implantate mit Durchmesser 1,8 mm und Länge 13 mm gesetzt. Da in die frische Extraktionsalveole in regio 44 nicht implantiert werden konnte, wurde das erste MDI in regio 45 inseriert. Ein weiteres Implantat wurde in der Position 41 gesetzt. Damit wurde dem Wunsch des Patienten nach größtmöglicher Sicherheit für den Prothesenhalt entsprochen. Im zahnlosen 3. Quadranten (Klasse 0) wurden die Mini-Dental-Implantate in regio 31 und 34 positioniert, da die Alveole 33 nicht geeignet war (Abb. 11). Abbildung 12 zeigt die Kontroll-Röntgenaufnahme nach der Implantation. Drei Monate später wurden dann im Oberkiefer sechs Mini-Implantate inseriert (Abb. 13). Zur Umarbeitung der bestehenden Prothese wurden zunächst intraoral die Abstände zwischen den Pfeilern – dem Zahn und den Implantaten – vermessen (Abb. 14). Die erforderlichen Mindestabstände von 5 bis 6 mm zwischen zwei Mini-Implantaten und möglichst 6 bis 7 mm zwischen Zahn und Implantat müssen eingehalten werden. Während die Prothesenbasis an den entsprechenden Stellen ausgefräst wurde, wurden die Metallgehäuse MH-1 auf die Mini-Implantate gesetzt (Abb. 15 und 16).
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Abb. 10: Röntgenaufnahme der Ausgangssituation.
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Abb. 11: Mini-Implantate in ihrer finalen Position.
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Abb. 12: OPG nach Implantation.
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Abb. 13: Kontrollaufnahme im Mai 2012 nach Implantatinsertion im Oberkiefer.
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Abb. 14: Abstandsmessung.
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Abb. 15: Prothese mit Aussparungen.
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Abb. 16: Matrizen im Patientenmund.
Individuell zugeschnittene Distanzhülsen dienten dabei als Abstandshalter zwischen MDI und MH-1. Anschließend wurden die Aussparungen in der Prothesenbasis mit Kaltpolymerisat (SECURE Hard Pickup Material, 3M ESPE) aufgefüllt und die Prothese im Patientenmund positioniert. Unter leichtem Zubeißen wurde die Position gehalten, bis das Material um die Metallgehäuse vollständig ausgehärtet war. Nachfolgend ließ sich die Prothese inklusive der fest verankerten Matrizen leicht entnehmen. Abbildung 17 zeigt die umgearbeitete Unterkieferprothese, Abbildung 18 beide MDI-verankerten Prothesen im Patientenmund. Die Patientin war von dem verbesserten Halt der neuen Prothese begeistert. Bei einer Kontrolluntersuchung nach 15 Monaten waren gesunde Weichgewebeverhältnisse und ein stabiles Knochenniveau zu erkennen (Abb. 19).
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Abb. 17: Prothese mit Matrizen, sichtbar ist außerdem eine metallische Verstärkung der Basis.
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Abb. 18: Eingesetzte Prothesen.
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Abb. 19: Situation bei einer Kontrolluntersuchung nach 15 Monaten.
Schlusswort
Wie in den beiden vorliegenden Fällen berichten die meisten meiner Patienten, deren Total- oder Teilprothesen mit Mini-Dental-Implantaten stabilisiert werden, von einem hohen Komfort während der Behandlung und einer verbesserten Lebensqualität nach dem Eingriff. Aufgrund des Behandlungserfolges raten viele von ihnen auch anderen Patienten, sich zu erkundigen, ob ein solcher Eingriff für sie infrage kommt. Da die Insertion von Mini-Implantaten selbst bei Patienten mit einem schmalen Kieferkamm erfolgen kann und der wenig belastende Eingriff auch bei anamnestisch vorbelasteten Patienten möglich ist, kann diese Behandlung in vielen Fällen durchgeführt werden. Die Verwendung konventioneller Implantate würde hingegen für zahlreiche, insbesondere ältere Patienten ein zu großes Risiko darstellen, da diese oftmals mit aufwendigen augmentativen Maßnahmen verbunden wäre. Die entwickelten Planungsempfehlungen für MDI geben dem Zahnarzt nun auch für die Indikation der Pfeilervermehrung eine sinnvolle Orientierungshilfe.
Auf Basis meiner langjährigen Erfahrung mit MDI Mini-Dental-Implantaten lässt sich zusammenfassen, dass Mini-Implantate das konventionelle Implantatportfolio sinnvoll ergänzen, aber selbstverständlich nicht ersetzen.