Die Parodontalprophylaxe

Prophylaxe verfolgt das Ziel, dem Auftreten und der Verbreitung einer Krankheit vorzubeugen. Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat die Mund- und Zahnprophylaxe aktiv zu einer Verminderung von Karies und zu einer gesunden Zahnpflege beigetragen. Dennoch waren präventive oder kurative Parodontalbehandlungen sehr begrenzt und blieben von den Krankenkassen geradezu unbeachtet. Infolgedessen weisen 80 bis 90 % der Erwachsenen mindestens ein Anzeichen auf eine Parodontalerkrankung auf [1].
Die präventive Parodontalbehandlung verfolgt zwei Ziele:
- Dem Patienten ein Leben lang gesunde Zähne oder gesunden Zahnersatz zu erhalten.
- Zur Prävention von systemischen Erkrankungen beizutragen, die durch Entzündungen oder Infekte entstehen [5].
Die drei Etappen der prophylaktischen Behandlung sind:
- Primärprävention (anfänglich)
- Sekundärprävention (die Behandlung erster Anzeichen)
- Tertiärprävention oder auch Erhaltung [3].
Diese drei Etappen befolgen denselben Ablauf:
- Informieren
- Unterweisen
- Die ätiologischen Faktoren entfernen.
Informieren
Als Therapeut ist es unsere höchste Pflicht, den Patienten bezüglich der Anzeichen, der Risiken und des Verlaufs einer oft unbekannten und schmerzlosen Krankheit zu informieren. Im Laufe der Untersuchung müssen wir jedes Anzeichen auf eine Parodontalerkrankung, und sei es noch so schwach, diagnostizieren und über Blutungen, Zahnfleischrückgang oder Taschen informieren.
Das Auftreten von mindestens einem Anzeichen an einem Zahn muss den Zahnarzt dazu veranlassen, den Patienten darauf hinzuweisen und einen einfachen PSI-Test nahezulegen (Parodontaler Screening Index oder Zahnfleisch- und Parodontose-Index). Der PSI-Test basiert auf drei Kriterien: Blutung, Zahnstein und Taschentiefe [2].
Der Nachweis durch den PSI-Test kann in nur drei Minuten anhand einer Parodontalsonde erfolgen. Diese ist im Abstand von 3 mm skaliert. Für den Test müssen die zahnmedizinischen Hygienevorgaben befolgt werden. Die Ergebnisse des PSI-Tests werden in Abbildung 1 beschrieben.
Daraufhin werden die Patienten in drei Kategorien unterteilt, die drei Behandlungsabläufen entsprechen:
Kategorie A
Index 0: keine Tasche, keine Blutung bei Sondierung, kein Zahnstein, keine übermäßige Restauration.
Index 1: wie Index 0, aber mit Blutung bei Sondierung.
Index 2: wie Index 1, aber mit Auftreten von Zahnstein und/oder übermäßiger Restauration.
Kategorie B
Index 3 -: eine oder mehrere Taschen von 4 bis 5 mm, mit Blutung bei Sondierung, mit Zahnstein und/oder übermäßiger Restauration, ohne Zahnfleischrückgang.
Kategorie C
Index 3 +: eine oder mehrere Taschen von 4 bis 5 mm, mit Blutung bei Sondierung, mit Zahnstein und/oder übermäßiger Restauration, mit Zahnfleischrückgang an den tiefsten Taschen. Zahnfleischrückgang und Taschentiefen werden für jeden Zahn gemessen; der Zahnfleischrückgang wird in mm vom Zahnübergang/ Zahnschmelz und dem Zahnfleischrand ausgehend gemessen.
Index 4: eine oder mehrere Taschen von mindesten 6 mm Tiefe mit Blutung bei Sondierung, Auftreten von Zahnstein und/ oder übermäßiger Restauration, mit oder ohne Zahnfleischrückgang.
Unterweisung zur häuslichen Zahnpflege
Der Zusammenhang zwischen den Bakterien und der Erkrankung ist ganz offensichtlich: Sämtliche parodontale Erkrankungen beruhen auf Entzündungen, deren Verlauf aus dem Zusammenspiel von Mund und Bakterien hervorgeht (AAP Bericht 2002). Der Erfolg einer Parodontalbehandlung hängt weitgehend von der täglichen Entfernung der supragingivalen Bakterien durch den Patienten ab.
Deshalb muss der Zusammenhang zwischen dem Belag und der Erkrankung (Blutung, Tasche und Zahnfleischrückgang) dem Patienten veranschaulicht werden. Er soll hierdurch die wichtige Bedeutung dieses Zusammenhangs verstehen. Der Schlüssel zum Erfolg: Unseren Patienten zum Hauptakteur der Behandlung machen. Unsere Aufgabe besteht darin, ihn in seiner schwierigen Rolle als „Entferner“ des Zahnbelags zu begleiten. In der Parodontoseprophylaxe muss die Aufmerksamkeit auf die zervikalen und proximalen Zahnbeläge gerichtet werden (Abb. 2).
-
Abb. 2: Der Zahnbelag ist ein feiner zervikaler und interdentaler Film. Der Zusammenhang zwischen eingefärbten Belägen und Zahnfleischödem ist offensichtlich.
-
Abb. 3: Putztechnik BASS.
Die Unterweisung in einer speziellen Putztechnik ist erforderlich: Die perfektionierte BASS-Putztechnik hat ihre Wirksamkeit bewiesen, sowohl bei Personen mit gesundem Zahnfleisch, als auch bei Patienten, die unter parodontalen Erkrankungen leiden. Durch die Ausrichtung der Bürste können die Borsten auch die Zahnzwischenräume, die Zahnhalswölbung sowie die Zahnfleischfurche erreichen (Abb. 3).
Die Technik
Die Grundbewegung erfolgt in drei Abläufen:
- Die Bürste über die Zahnseiten gleiten lassen, bis sie mit dem Zahnfleisch in Berührung kommt. Die Borsten stehen in einem Winkel von 45° zu der Zahnfleischfurche.
- Durch eine Abfolge von zehn kleinen Bewegungen massieren. Dabei bleiben die Borsten an den Zähnen. Durch diese Massage wird der Biofilm aufgelöst und das Zahnfleischgewebe angeregt.
- Anhand einer kreisenden Bewegung die Bakterien vom Zahnfleisch in Richtung Zahn entfernen.
Das Putzen
Immer mit den hintersten und am schwersten erreichbaren Molaren beginnen. Anschließend von Tasche zu Tasche dem Bogen folgen. Mit den Zahnaußenseiten beginnen, anschließend die Zahninnenseiten und schließlich die Kauoberflächen putzen. Mit einer Handzahnbürste erfolgt diese Bewegung jeweils für Zahngruppen; mit einer elektrischen Zahnbürste wird jeder Zahn einzeln geputzt, ohne Horizontalbewegung. Eine gute Putztechnik reicht jedoch nicht aus. Die Wahl der Instrumente ist ebenso wichtig. Die ideale Zahnbürste muss über Folgendes verfügen:
- Einen kleinen Kopf, um auch die hinteren Zähne im Mund zu erreichen.
- Weiche Borsten, die sanft reinigen, ohne Ihr Zahnfleisch zu verletzen.
Verwenden Sie eine Handzahnbürste oder eine elektrische Zahnbürste („sensitiv”), deren Borstendichte möglichst hoch ist. Bei Zahnzwischenräumen sollten Sie geeignete Bürstchen verwendet werden. deren Bürstchendurchmesser in der Zahnarztpraxis ausgewählt wird. Für eine optimale Wirkung müssen wir dauerhaft die Rolle eines „Trainers” einnehmen. Bitten Sie Ihren Patienten darum, zu jedem Termin seine Zahnbürste mitzubringen. So können Sie einschätzen, wie motiviert der Patient ist, und Ihre Trainer-Rolle erfüllen.
Die prophylaktische Parodontalbehandlung beruht auf dem mechanischen Auflösen der Biofilme sowie auf der Zahnsteinentfernung. Dank der Vibrationen der Instrumente durch Ultraschall konnte die Methode vereinfacht werden. Die Verbindung der Vibrationen und der Wasserspülung ermöglicht die Entfernung der bakteriellen Beläge ohne Verletzungen; es handelt sich um einen nicht invasiven Eingriff, bei dem das Gewebe erhalten bleibt [7]. Dank der ausgerichteten Mikro-Ansätze kann die gesamte Zahnoberfläche im Kronen- und Wurzelbereich erreicht werden, enge und tiefe Bereiche eingeschlossen. Ihre Form wird je nach Art der bakteriellen Beläge ausgewählt. Für die Biofilme empfehlen wir die runden Mikro-Ansätze (Abb. 4b); für die mineralisierten Beläge (Zahnstein) die Mikro-Ansätze Kürette (Abb. 4a). Die Stärke wird sehr niedrig eingestellt, um das Gewebe nicht zu verletzen. In Abhängigkeit von der Härte der Beläge kann diese erhöht werden. Die Spülung mit Wasser muss sorgfältig eingestellt werden, sodass sie auch das Ende des Ansatzes erreichen kann. Die Ultraschallbehandlung, sei sie supra- oder subgingival, entspricht dem Ablauf der Ultraschallbehandlung der Taschen. Das Debridement der Biofilme, die Zahnsteinentfernung sowie die örtliche Desinfektion erfolgen mit derselben instrumentalen Sequenz.
-
Abb. 4a: Mikro-Ansatz Kürette H4L.
-
Abb. 4b: Mikro-Ansatz.
Ein Behandlungstermin für die Ultraschallbehandlung der Taschen erfolgt in vier Etappen:
- Prüfung der Diagnoseuntersuchung.
- Wiederholung der Zahnputzunterweisung.
- Ultraschallbehandlung: Wahl des Instruments, Einstellung der Stärke und der Wasserspülung, Debridement mit erstem Ansatz.
- Besprechung der häuslichen Zahnpflege. In Abhängigkeit vom PSI-Ergebnis ist die Arbeitszeit unterschiedlich lang. Wir empfehlen ein in Etappen unterteiltes Vorgehen, falls mehrere Termine erforderlich sind. Dies hat eine progressive Verminderung der bakteriellen Belastung zur Folge und somit auch der Entzündung, wodurch der Patient geringere Schmerzen ertragen muss (Abb. 5a-c).
-
Abb. 5a: Ausgangsbeobachtung: weit verbreitete Entzündung.
-
Abb. 5b: Nach der Unterweisung im Putzen und der supra- und juxtagingivalen Behandlung.
-
Abb. 5c: Nach abgeschlossener Behandlung.
-
Schlussfolgerung
Ziel der prophylaktischen Parodontalbehandlung ist es, die Gesundheit, die Funktionsfähigkeit sowie die Ästhetik der parodontalen Gewebe und Strukturen zu bewahren, die wiederum für den Zahnerhalt erforderlich sind. Die Behandlung muss mit jeder unserer Handlungen in Verbindung gebracht werden. Denn bedauerlicherweise ist auch unter den besten Bedingungen eine vollständige Restauration eines erkrankten Zahnbettes nicht möglich. Die Parodontalprophylaxe ist notwendig, da sie für den Patienten und die Gesellschaft weniger kostenaufwendig ist. Tatsächlich wurde bewiesen, dass Patienten mit einer ausgeprägten Parodontitis höhere Gesundheitskosten zu tragen haben (Ide 2007). Dank neuer Instrumente können die allgemeinen Prinzipien der präventiven und nicht-invasiven Zahnmedizin auf die Parodontologie ausgeweitet werden. Die Erfahrung des behandelnden Arztes sowie das Maß, in dem er die Behandlungsabläufe einhält, sind ausschlaggebend für die Entfernung der Beläge und des Zahnsteins [4]. Damit die Präventivbehandlungen von parodontalen Erkrankungen in die tägliche Arbeit des Zahnchirurgen integriert werden können, bedarf es einer Standardisierung. Die Behandlungen beruhen auf dem Wissen und Verständnis dafür, dass die Erkrankung durch einen Infekt verursacht wird, auf der Art, wie der Betroffene reagiert sowie auf der Handhabung der Ultraschallinstrumente.
Erstveröffentlichung in L´information dentaire n° 8 (vom 23. Februar 2011).