Komplikationsvermeidung bei Augmentation infizierter Alveolen

Durch eine gezielte Keimreduktion im Bereich der parodontalen Gewebe und der Extraktionsalveole soll eine postoperative Infektion verhindert werden. Als Initialtherapie der Periimplantitis hat sich die antimikrobielle Photodynamische Lasertherapie (aPDT) bestens bewährt [5, 7, 8]. Schon 1990 berichtete Dougherty über die Beeinflussung von Geweben durch die Photodynamische Therapie (PDT) [6].
Bei der antimikrobiellen Photodynamischen Lasertherapie kommt ein Softlaser zur Anwendung. Dies wird auch als kalte Lasertherapie „low intensity laser therapy“ (LILT) oder mit dem eher veralteten Begriff „low level laser therapy“ (LLLT) bezeichnet [1]. Dieser Lasertyp zeichnet sich durch eine geringe Energiedichte und eine lange Bestrahlungsdauer aus und hat einen optimalen Arbeitsbereich bei einer Wellenlänge von 600 – 700 nm. Durch eine tiefe Gewebsstimulation sind diese Softlaser für aPDT-Anwendungen in der Zahnheilkunde ideal geeignet.
Die Daten in der Tabelle 1 zeigen die unterschiedlichen Gewebsreaktionen in Abhängigkeit zu Wellenlänge und Eindringtiefe.
Tab. 1: Wellenlängenabhängige Eindringtiefe optischer Strahlung ins Gewebe [12].
Der Softlaser ist eine monochrome, kohärente, athermische Lichtquelle. Er erzeugt einfarbiges Licht einer Wellenlänge mit phasengleichen Wellenzügen und garantiert eine geordnete Photonenemission. Dieses Licht erzeugt einen photodynamischen Effekt im bestrahlten Gewebe. Dieser entsteht bei einer Wellenlänge von 380 bis 700 nm und stimuliert die Synthese von ADP zu ATP über die oxidative Phosphorilierung. Die Mitochondrien werden stimuliert und Energiebereiststellung und Stoffwechsel aktiviert.
Dieser photodynamische Effekt wird auch als Regulationstherapie bezeichnet. Dieses regulative Verhalten führt zu einer Durchblutungssteigerung oder -senkung, je nachdem wo diese benötigt wird. In gleicher Weise wird auch das Immunsystem stimuliert. Klinisch führt dies zu einer Hemmung der Entzündung, beschleunigten Wundheilung und Schmerzverringerung.
Die antimikrobielle Photodynamische Lasertherapie kombiniert die gut eindringende, geringe Laserenergie mit der bakteriziden Wirkung über die Farbstoffanregung. Wichtig hierfür ist die Abstimmung der Wellenlänge des Lichts zum zu aktivierenden Farbstoff. Der Farbstoff muss möglichst spezifisch an das Target, im Fall der allgemeinen Zahnmedizin die Bakterien im Biofilm, absorbieren. Da es hier speziell um Bakterien geht, spricht man auch von der antibakteriellen Photodynamischen Therapie (aPDT).
Das aktivierte System erzeugt durch den Licht-/Laserlichteinfluss aus vorhandenem Sauerstoff Singulett- bzw. Triplettsauerstoff, der die ungesättigten Fettsäuren in den Bakterienmembranen und deren Organellen schädigt und über die Desintegration der Bakterienmembran zum Absterben selbiger führt. Dies ist vergleichbar der Apoptose lebender Krebszellen bei der klassischen PDT.Es sind verschiedene Substanzen bekannt, die als Photosensibilisatoren eingesetzt werden können, z. B. Porphyrine, 5-Aminolävulinsäure, Toluidinblau O u. a. Durch die Fluoreszenzeffekte der meisten Farbstoffe sind sie teils auch in der Tumordiagnose einsetzbar.
Anwendung am Patienten - photodynamische und antibakterielle Therapien
Die Parodontologie als Hauptindikationsfeld zeigt gute Ergebnisse bei der aPDT. So konnte am Tiermodell bei Porphyromonas gingivalis verursachten Parodontitiden nach farbstoffaktivierter Laserbehandlung mit Toluidinblau ein verminderter Knochenabbau gegenüber der Kontrollgruppe beobachtet werden [9]. Im Vergleich verschiedener Lasersysteme in der adjuvanten Anwendung konnten Brink & Romanos (2007) zeigen, dass eine mechanische Reinigung kombiniert mit der aPDT die höchste Keimzahlreduktion in den Taschen bewirkte [3]. Die höhere Reduktion konnte nach einem Zeitraum von 3 Monaten nachgewiesen werden. Eine vollständige Elimination von Actinobacillus actinomycetemcomitans konnte mit keinem der Systeme (aPDT, 1.064 nm, 980 nm) erreicht werden.
Bei Untersuchungen am Patientengut einer freien Praxis wurden im Vergleich der o. g. Lasersysteme für die aPDT Keimreduktionen von 80,11 % nach 4 Wochen und 91,37 % nach 12 Wochen im Vergleich zum Anfangsbefund nachgewiesen. Sulkusblutungsindex, Taschentiefen und Beweglichkeit der Zähne waren nach Behandlung erheblich reduziert. Vergleichend gute Ergebnisse fanden Sigusch et al. (2007) sowohl in Bezug auf Reduktion klinischer Parameter und Bakterienelimination sowie dem Langzeiteffekt [11]. Braun et al. (2007) kommen zu dem Ergebnis, dass die aPDT die konventionellen Verfahren in der Periodontitis- und Periimplantitistherapie zielgerichtet ergänzt [2]. De Olivera et al. (2007) konnten bei ihren Untersuchungen von aPDT im Vergleich zum Scaling und Wurzelglättung (SRP) im Split-mouth-Verfahren vergleichbare klinische Ergebnisse erreichen [4].
Die PDT-Behandlung ist im parodontalgeschädigten Gebiss einsetzbar bei:
- akuten Gingivitis- und Parodontitisschüben als Sofortmassnahme
- einer konventionellen Parodontosebehandlung im Abstand von 3- 14 Tagen nachfolgend
- bei der unspezifisch prophylaktischen Bakterienreduktion im Rahmen der erweiterten PZR mit einem Abstand von 2 Jahren.
Für die Behandlung der recht therapieresistenten Behandlung des Dolor post extractionem und alveolären Ostitis geben Neugebauer et al (2004) die aPDT als vielversprechenden Ansatz zu konventionellen Verfahren mit geringer Wirkung an [10].
Die alveoläre Ostitis tritt mit Inzidenz von 3 – 25 % nach einer Zahnextraktion auf. Die direkte Augmentation einer infizierten Alveole wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Um den Verlust des bukkalen Knochens zu verhindern, ist eine simultane Augmentation während der Extraktion anzustreben. Dies verlangt jedoch weitgehende Entzündungsfreiheit der Alveole, insbesondere in der Einheilungsphase.
Die antimikrobielle photodynamische HELBO-Therapie ist ein Verfahren zum Bekämpfen bakterieller Infektionen im Mundraum. Die Effizienz des Verfahrens ist in der Literatur für die Bereiche Parodontologie, Periimplantitistherapie und Endodontie bereits umfassend beschrieben. Durch das HELBOVerfahren kann zudem eine deutliche Reduktion des Auftretens der alveolären Ostitis und weiterer Wundheilungsstörungen erreicht werden [10].
Prospektive klinische Studie
Ziel meiner Untersuchung war es herauszufinden, ob die Komplikationsrate nach Extraktion durch Dekontamination mit der HELBO-Therapie und einem anschließenden Auffüllen der Alveolen mit einem Knochenersatzmaterial reduziert werden kann.
In der prospektiven klinischen Studie wurden 80 Patienten (46 Männer, 34 Frauen) aus der eigenen Praxis mit insgesamt 121 Eingriffen vom Zeitpunkt der Zahnextraktion bis zur Versorgung untersucht und die Ergebnisse bezüglich des Schmerzempfindens post OP und des weiteren Entzündungsverlaufs dokumentiert (Abb. 1).
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Abb. 1: Aufteilung nach Patienten und Eingriffen im Zeitraum 6.5.2010 bis 24.2.2012.
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Abb. 2: Aufteilung der Eingriffe nach Quadranten.
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Abb. 4: Klinische Ausgangssituation.
Die 121 Zähne waren apikal beherdet (deutliche apikale Aufhellung radiologisch), wiesen Pusaustritt, sowie einen Lockerungsgrad > 1 auf und waren somit nicht zu erhalten (Abb. 4)
Nach der Extraktion wurden die Alveolen kürettiert und photodynamisch behandelt. Hierzu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Im Rahmen der Untersuchung kam das HELBO-Verfahren zum Einsatz, da dieses gut wissenschaftlich dokumentiert und die sterile Verfahrensdurchführung gewährleistet ist. Durch Einsatz eines lichtaktiven Farbstoffs (HELBO Blue Photosensitizer) und Licht einer auf den Farbstoff abgestimmten Wellenlänge und Energie (HELBO TheraLite Laser), kommt es hierbei zur Bildung einer aggressiven Sauerstoffform (Singulett-Sauerstoffe), welche Bakterien durch Lipidoxidation zerstört.
Im Anschluss an die Desinfektion erfolgte die Auffüllung der Alveolen mit dem xenogenen Augmentationsmaterial Geistlich Bio-Oss® Collagen in den Blockgrößen 100 und 250 mg (Geistlich Bio-materials, Baden-Baden) (Abb. 3). Die Patienten wurden nach 2 Tagen zu ihrem Schmerzempfinden befragt.
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Abb. 3: Aufteilung nach Packungsgrößen.
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Abb. 5: Ergebnisse der Wundheilung.
Ergebnisse
Von den 121 derart versorgten Alveolen zeigten 117 keine postoperativen Beschwerden, 4 wiesen für maximal 2 Tage Schmerzsensationen auf. Es gab keinerlei postoperative Entzündungen (Abb. 5).
Diagramm 1: Vorgehensweise im Rahmen der prospektiven klinischen Studie.
Zusammenfassung
Bakterielle Infektionen und damit verbundene Entzündungsprozesse können entscheidende Komplikationen hervorrufen. So stellt die alveoläre Ostitis nach einer Zahnextraktion eine Herausforderung für den behandelnden Zahnarzt dar, aber auch das Scheitern Knochen erhaltender Maßnahmen. Durch die Dekontamination mit der aPDT (HELBO-Verfahren) vor Augmentation kann das Auftreten von Komplikationen sowohl unmittelbar nach Extraktion, als auch in der weiteren Folge fast vollständig vermieden, Knochensubstanz erhalten und somit nicht zuletzt der Patientenkomfort deutlich erhöht werden.
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Abb. 6: Zustand nach Entfernung der Brücke 12-22.
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Abb. 7: Extraktion der Zähne 12, 21, 22.
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Abb. 8: Applikation des lichtaktiven Farbstoffs (HELBO Blue Photosensitizer).
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Abb. 9: Dekontamination mit dem HELBO TheraLite Laser regio 12.
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Abb. 10: Regio 12 Einbringen von 100 mg Bio-Oss® Collagen.
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Abb. 11: Alveole 12 nach Socket Preservation.
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Abb. 12: Socket Preservation regio 12, 21, 22.
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Abb. 13: Versorgung mit einem Langzeitprovisorium (Brücke 14-24) am Tag der Extraktion.
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Abb. 14: Zustand 1 Tag post OP.
Knochenersatzmaterial
Geistlich Bio-Oss® Collagen
(Geistlich Biomaterials, Baden-Baden)
Antimikrobielle Photodynamische Therapie
HELBO-Therapie
(bredent medical GmbH & Co. KG,
Geschäftsbereich HELBO, Walldorf)